■ Das Portrait
: Nobelpreis für die „Herrin der Fliegen“

Berlin (taz) – Eine kleine unscheinbare Fliege ist zur Königsmacherin aufgestiegen. Gleich drei GentikerInnen, die sich ihre wissenschaflichen Sporen mit Experimenten an der Taufliege Drosophila melanogaster verdienten, sind gestern vom Stockholmer Nobelpreiskomitee als diesjährige PreisträgerInnen für die Sparte Medizin bekanntgegeben worden. Nicht ganz unerwartet konnte das Tübinger Max- Planck-Institut für Entwicklungsbiologie (MPI) einen Teil der wissenschaftlichen „Kaiserkrone“ einheimsen.

Als „Herrin der Fliegen“ bezeichnet ein Kollege respektvoll die Biochemieprofessorin Christiane Nüsslein-Volhard, die als Direktorin am Tübinger MPI die Abteilung für Genetik leitet und eine der drei Auserwählten ist. Zusammen mit den US-Genetikern Edward Lewis vom kalifornischen Institute of Technology in Pasadena und dem gebürtigen Schweizer Eric Wieschaus, der derzeit in den USA forscht, wird die Tübinger Professorin sich den mit 1,4 Millionen Mark dotierten Preis teilen.

Ausgezeichnet wurden die drei WissenschaftlerInnen für ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Embryonalentwicklung. Sie haben die „grundlegenden Prinzipien“ bei der Entwicklung von Organismen aufgedeckt. Die Drosophila-Fliegen dienten ihnen als „Modelltier“. Sie konnten zeigen wie einzelne Gene und Gengruppen bei Fliegenembryonen die Bildung der Organe steuern. Ihre Ergebnisse, die sie vorwiegend an künstlich mißgebildeten Fliegenlarven gewannen, seien auch auf die höheren Organismen übertragbar, „einschließlich auf den Menschen“, hieß es in einer Erklärung des Nobel-Komitees am Karolinska Institut in Stockholm. Die Arbeiten hätten zu einem Durchbruch auch bei der Erklärung von Fehlbildungen beim Menschen geführt. Um zu überprüfen, ob ihre Ergebnisse auch wirklich auf höhere Tiere übertragbar sind, hat sich die Tübinger Preisträgerin bereits einem anderem Modelltier zugewandt.

Seit kurzem arbeit sie mit Zebrafischen. Ähnlich wie bei den Fruchtfliegen will sie untersuchen, auf welche Weise die Bildung von Organen gesteuert wird. Sie ist sich jetzt schon sicher, daß diese Ergebnisse auch auf den Menschen übertragbar sind. Wolfgang Löhr