: A.R. Penck als PR-Artikel
■ Bremer Institut für Raumfahrttechnologie, ZARM, feiert am Wochenende Geburtstag - A.R.Penck und Kollege Felim Egan liefern „nahezu kostenlos“ Kunst im Schacht unterm Fallturm
Den pfeilschlanken Fallturm im High-Tech-Land „Technologiepark Bremen“ kennt jeder – von außen. Doch wer hat sich schon mal in das Institut hineingewagt, das sich Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation Fallturmbetriebsgesellschaft, kurz ZARM, nennt und von Türstehern bewacht wird?
Das müsse anders werden, hat sich Institutschef Hans J. Raht gedacht. Anläßlich des zehnten Geburtstags sollen nun wirklich die Massen strömen. Denn der prominente Maler A.R. Penck und sein hierzulande wenig bekannter Künstlerkollege Felim Egan aus Irland wurden nach Ansicht der Organisatoren für eine „außergewöhnliche Aktion zeitgenössicher Kunst in Bremen“ geködert.
Was nun wirklich ab Sonntag 14 Uhr zu sehen sein soll, war auf der gestrigen Pressekonferenz jedoch niemandem so recht klar. Nur soviel: Der 56jährige übergewichtige Penck, der wie üblich mit enormem Rauschebart, T-Shirt, Jeans und Schiebermütze antrag, und der schmächtige irische Bildhauer wollten sich gestern umgehend an die Arbeit machen. Pinsel, Farbe und Holz standen bereit.
Zur Arbeit mußte sich das ungleiche Paar dabei über steile Leitern in den düsteren Schacht unter dem 146 Meter hohen, tonnenschweren Fallturm hinunterhangeln. Der Kommentar von Susanne Höner von der Galerie im Fallturm: „Ich war ganz begeistert, wie Penck in der Höhle rauf- und runtergestiefelt ist. Wie ein junger Mann. „ Der Grund: Wo in drei bis vier Jahren mit Bonner Mitteln einmal ein Katapultgerät aufgestellt werden soll, hinterlassen die beiden ein 200 Quadratmeter großes Wandgemälde und einige Stahl- und Metallplastiken. Ab Sonntag 14 Uhr dürfen der katakombenartige, kreisrunde Raum und eine ergänzende Ausstellung in der Galerie im Fallturm eingesehen werden.
Alles solle ein Geheimnis sein, erklärte der berühmte Maler aus Dresden, der seit über 35 Jahren malt und die Dramaturgie des Geschäfts mit Kunst offenbar meisterhaft versteht. Die in Westdeutschland übliche Neugier und Vereinnahmung von Kunst störe ihn enorm, ließ der „berühmteste Dissident der DDR“ (Spiegel) und „Stasi-Schreck von einst“ (Zeit) sächselnd verlauten.
Wahrscheinlich läuft es wieder auf die Penck-typische Zeichensprache hinaus, die er aus Höhlenmalerei, Hieroglyphen, Runen und Buchstaben sowie modernen Computersymbolen zusammengebastelt hat. Und sein Freund wird vermutlich zwei dieser zarten, diesmal rund sieben Meter hohen Holzskulpturen schaffen, mit denen er gerade beginnt, den deutschen Markt zu erobern.
„Was uns beschäftigt ,ist die Codierung von Seinszuständen, die meist politisch und sozial sind, weniger wissenschaftlich. Menschliche Verhaltensweisen eben“, war alles, was Meister Penck zu entlocken war. Und: „Ich bin ja kein richtiger Westmensch. Für mich ist es möglich, etwas offenzulassen. Es muß nicht immer alles eingenommen und begriffen werden.“
Warum die beiden Künstler die Ausstattung des höhlenartigen Schachtes „nahezu kostenlos“ übernommen haben, bleibt ebenfalls offen. Pencks Kommentar zu diesem ungewöhnlichen Zusammengehen von moderner Kunst und High-Tech-Institution: „Für mich ist das ja auch neu. Ich habe bisher nicht in einer solchen Institution garbeitet“. Immerhin hätten ihn aber seit langem Themen wie Gravitation interessiert.
Institutschef Rath hingegen gab sich bei der Suche nach Zusammenhängen zwischen Gegenwartskunst und Experimenten unter Schwerelosigkeit betont sorglos: „Pencks abstrakte Sprache konzentriert sich aufs Wesentliche. Und gerade in der Wissenschaft muß man häufig abstrahieren, um das Wesentliche erkennen zu können.“ So einfach ist das.
Fest steht, daß Institutsleiter und Galeristin mit dieser werbewirksamen Kunstaktion ein gutes Schnäppchen gemacht haben dürften. Beide hoffen auf Besucherströme. Den Massen soll laut Rath „ein knackiges, geschwungenes Olympiazelt“ Einlaß gewähren. Alles sei sehr gut organisiert. Eine Jazz-Band zur Eröffnung bereits organisiert. Und natürlich sollten die BesucherInnen die Chance nicht versäumen, neben der Topkunst auch den Fallturm und das Forschungszentrum zu besichtigen.
Sabine Komm
Bis 17. Dezember jeweils samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr.
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