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Muslime werden grausam vertrieben

■ UNHCR: "Arkan" führt Drecksarbeit in Banja Luka aus. Weitere 4.000 Muslime vertrieben. Waffenstillstand kann nach Ansicht der bosnischen Regierung in Kraft treten

Genf (dpa) – Unter „fürchterlichen und grausamen Umständen“ werden Muslime aus der Region Banja Luka von „notorischen serbischen Nationalisten“ vertrieben. Dies berichtete ein Sprecher des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) gestern in Genf. Das Flüchtlingshilfswerk sei „äußerst besorgt“, insbesondere über das ungeklärte Schicksal von Männern im wehrfähigen Alter.

Seit vergangenem Freitag seien bereits 4.000 Muslime, meist Frauen, Kinder und ältere Menschen, mit Bussen und Lastwagen aus dem nordbosnischen Gebiet um Banja Luka nach Zenica in Zentralbosnien abtransportiert worden. Die UN befürchten, daß in den nächsten Tagen bis zu 8.000 weitere Muslime auf diese Weise aus ihrer Heimat vertrieben werden.

Besonders brutal gehe bei dieser neuen Vertreibungswelle offenbar der „Arkan“ genannte Milizenchef der Karadžić-Serben vor. Der Militärführer, mit richtigem Namen Celjko Raznjatović, führe mit seinen Leuten häufig für die Verwaltungen der bosnischen Serben in dieser Gegend die „dreckige Arbeit“ aus, sagte der Sprecher.

Muslime würden vergewaltigt und ermordet, ihre Häuser würden geplündert. So hätten von Arkan und seinen Männern vertriebene Muslime berichtet, schon am 21. September aus der Stadt Sanski Most und umliegenden Dörfern verjagt, in einem Dorf zusammenengetrieben und in Häusern eingepfercht worden zu sein. Dort seien sie dann so gut wie ohne Lebensmittel elf Tage lang festgehalten worden. Männer im Alter zwischen 30 und 50 Jahren seien aussortiert und in alte Fabriken gebracht worden. Über ihr Schicksal sei nichts bekannt. Einer der Männer sei nur entkommen, weil er einem Soldaten 800 Mark für seine Flucht zahlen konnte.

Neben Banja Luka und Sanski Most sind auch Bosanski Novi und Prijedor von der Vertreibungswelle betroffen. In der gesamten Region leben nach UN-Schätzungen nur noch etwa 30.000 Nichtserben. Vor dem Krieg hätten im Norden Bosniens etwa 500.000 Muslime und Kroaten gewohnt.

Der landesweite Waffenstillstand für Bosnien kann nach Meinung der Führung in Sarajevo in der Nacht zu heute in Kraft treten. Das erklärte gestern nachmittag der Minister für Beziehungen zu den Vereinten Nationen, Hasan Muratović. „Die Vorbedingungen sind erfüllt, jetzt muß nur noch die UN-Führung beurteilen, ob auch aus ihrer Sicht alle Bedingungen für den Waffenstillstand erfüllt sind.“ Sollte die UN-Führung zustimmen, würden die Regierungstruppen umgehend den Befehl zur Einstellung aller Kampfhandlungen erhalten. Der Waffenstillstand kann dann heute um 0.01 Uhr in Kraft treten.

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