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„Die lehnen ja schon Schwule ab“

Sport steht für Fitneß und Leistung, Aids für Siechtum und Tod. Therapeutisch sinnvolle Sportgruppen von HIV-Infizierten und Aids-Kranken stoßen auf mannigfaltige Vorbehalte  ■ Von Oliver Kauer

Frankfurt (taz) – „Wenn alle HIV-Positiven, die Sportvereinen angehören, sagen würden: ,Ich bin positiv‘, gäbe es Schwierigkeiten“, vermutet ein Mitarbeiter der Aids- Hilfe Frankfurt. Genaue Zahlen gibt es nicht, „die Dunkelziffer dürfte aber sehr hoch sein“, bemerkt auch Sportwissenschaftler Hans Weide, der eine Sportgruppe für HIV-Infizierte und Aids- Kranke leitet. Es ist eine von rund 17 Gruppen in der Republik – viel zu wenig, um den Bedarf zu decken.

Dabei kann dosierter Sport, so belegen wissenschaftliche Testergebnisse, den Gesundheitszustand der Betroffenen positiv beeinflussen. Doch immer noch herrschen diffuse Ängste und Aversionen in Sportvereinen, den vielen Sportwilligen unter den derzeit etwa 70.000 erfaßten Infizierten Möglichkeiten zu bieten. Was bleibt, ist Sport im Rahmen von wissenschaftlichen Kooperationen und in homosexuellen Sportvereinen in den anonymen Großstädten. Mit Offenheit stoßen Infizierte keinesfalls auf offene Ohren. Vor allem Unwissen über die Ansteckungswege regiert im Nachfolgezeitalter der gigantisch-nutzlosen Aufklärung die (Sport-)Welt.

Sport: Das ist vor allem Fitneß, Leistung, Wohlbefinden. Aids repräsentiert die negativen Werte der Skala: Krankheit, verminderte Leistungsfähigkeit, Siechtum, Tod. „Nur ein kleiner Teil der Positiven wird überhaupt durch irgendwelche Institutionen erreicht, der Rest versteckt sich“, sagt Hans Weide, der in seiner sportwissenschaftlichen Abschlußarbeit eine Analyse der Situation des Sports für Menschen mit HIV und Aids liefert. Weil, allenthalben spürbar, Ängste und Ausgrenzung herrschen, Integration ein Fremdwort ist, isolieren sich die Betroffenen selbst. Um die Vorbehalte nicht zu spüren – weil „es“ ja niemand wissen darf. Über das Outing im „normalen“ Sportverein berichtet ein frustrierter Sportler: „Die lehnen ja schon Schwule ab. Und als Positiver hast du in diesem Vereinsleben keine Chance.“ Daß die Gesundheitskommission des Deutschen Sportbundes (DSB) 1992 in einem Ratgeber schrieb: „Um die soziale Integration nicht zu gefährden, sollten spezielle Aids-Sportgruppen nicht eingerichtet werden“, darf getrost als Augenwischerei bezeichnet werden.

Es ist oft so, daß Leute bei der Aids-Hilfe anrufen und fragen: „Was kann ich als HIV-Infizierter Gutes für meinen Körper tun?“, Allzu viele Hinweise auf Gesundheitssportangebote können die Mitarbeiter dann nicht geben. Dabei liegen erste wissenschaftliche Resultate über positive Auswirkungen sportlicher Betätigung bereits seit 1988 vor: Als gesichert gilt, daß gezielte sporttherapeutische Maßnahmen zu konditionellen Verbesserungen in allen Stadien der Erkrankung führen. Ergonomische Belastungstests ergaben, daß durch regelmäßiges Training eine Leistungsfähigkeit wie bei Gesunden erreicht wurde. Der Verlauf der Immunschwäche- krankheit könne durch ein regelmäßiges Sportprogramm günstig beeinflußt, die Progression der Erkrankung durch Bewegung aufgehalten werden.

Über die gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit erfährt der Betroffene jedoch vor allem eine Verbesserung seiner Lebensqualität. „Sport ist kein Heilsrezept“, meint Sportwissenschaftler Weide, „durch eine Time-out-Funktion kann aber zum Streßabbau und zur Entspannung beigetragen werden. Über den Spaß am Sport wird die Psyche Aids-Kranker stabilisiert, oft verschwinden Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit.“

„Hier stirbt keiner“, sagt deshalb Hans-Peter S., der vor einem Jahr mit anderen infizierten Bluterkranken eine Freizeitsportgruppe gründete, die „Sport for fun“ postuliert. Gemeinsamer Spaß wie etwa beim Wasserball bewirke eine individuelle seelische Ausgeglichenheit, die sich positiv auf Bluterneigung und das Fortschreiten der Krankheit auswirke, da ist sich Hans-Peter S. sicher. In der Unaufgeklärtheit der Öffentlichkeit sieht er vor allem einen Verdrängungsmechanismus. Der Unwissende „macht zu“, wenn er sich bedroht fühlt, die Krankheit ihm zu nahe gerät. So soll zuweilen in Schwimmbädern das Wasser ausgetauscht werden, wenn zuvor eine HIV-Sportgruppe badete, und Turnhallen werden als „verseucht“ empfunden, wenn HIV- Infizierte schwitzen. Schwer haben es Initiativen, geeignete Sporthallen zu finden. Für eine Gruppe in Köln, die offen mit ihrer Infektion umging, mußte nach neunmonatiger, verzweifelter Suche erst der Kölner Regierungspräsident Druck ausüben und das Gesundheitsamt zur Beruhigung der Gemüter vor Ort über die Infektionswege aufklären, um eine Übungsstätte zu bekommen.

Irrationale Ängste – die „magische“ Furcht vor der Ansteckung – bestimmen das Bild. Jene Ängste also, mit denen auch Earvin „Magic“ Johnson, der infizierte amerikanische Basketballstar, bei seiner Teilnahme an den Olympischen Spielen 1992 konfrontiert worden war. Johnsons Bekenntnis hatte im November 1991 die Diskussion um das Tabuthema Aids intensiviert und die Aufklärung vorübergehend weltweit zum großen Thema gemacht. Trotzdem empfahl weiland ein Arzt des australischen Olympiateams, die Basketballmannschaft der USA wegen Johnsons Teilnahme zu boykottieren.

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