: Persiflage mit Lachzwang
■ "Witz & Donna" - Frauen-Kabarett- und Komik-Festival in der UFA-Fabrik
Manchmal bekommt man es auf dem Tablett serviert: Fragt ein pubertierender Junge seinen Freund, was der Unterschied zwischen einem Witz über eine Frau und einem Witz von einer Frau sei. „Der eine holt, der andere zieht einen runter.“ Beide lachen. Einen besseren Grund dafür, daß sich Frauen im Kabarett zusammentun müssen, um allen jetzigen und zukünftigen Idioten zu zeigen, wer zuallerletzt lacht und worüber, gibt es nicht.
„Witz & Donna“ heißt das derzeit in Berlin stattfindende „Frauen Komik Kabarett-Festival & Symposium“ in der UFA-Fabrik. „Sowohl theoretisch als auch praktisch wird hier gezeigt, daß weibliche Säuglinge etwa im gleichen Alter wie männliche Säuglinge das Lachen lernen, wenn auch, wie sich kurze Zeit später herausstellt, für ganz unterschiedliche Zwecke. Sie lernt die gute Miene zum bösen Spiel, er das böse Spiel zur guten Miene“, sagt eine Zuschauerin.
Die Frau als des Menschen Putzfrau
Kabarett von Frauen, das sind: Comedy und Zauberei, Grotesken, Schimpflieder, mit denen Wahrheiten besungen werden, die normalerweise lieber unter dem Teppich bleiben, Frauenklischeevermarktung, Feministinnenpersiflage mit Lachzwang. „Und es gibt politisches Kabarett, was aber sehr sehr dünn gesät ist unter den Frauen“, betont die Potsdamerin Barbara Kuster, die sich in genau diesem Genre tummelt. All das kann man an diesem Wochenende also mit lachenden und weinenden Augen konsumieren. Möglicherweise kommt auch das blaue Auge hinzu, denn Kabarett von Frauen macht vor dem Frauenalltag nicht halt. Schürzen und Schürzenjägerinnen, geschlagene Frauen, frustrierte Emanzen, altjüngferliche Kleinkaliber, therapieerfahrene Medienberaterinnen, masochistische Hausfrauen und blendende Schönheiten sind zu sehen.
„Die Frau ist eben des Menschen Putzfrau und spielt demzufolge auch eine“, schreibt Lisa Politt in einer Textsammlung der „Frontfrauen“, die gerade pünktlich zum Festival herauskam. „Oh, da muß ich mich aber aufs schärfste dagegen verwahren“, entgegnet die jetzt auch dem Westen zugängliche Lachanimateurin Barbara Kuster. „Wir haben die Männer ja immer eher zum schwachen Geschlecht gezählt.“ Was die Frage, wer in der DDR geputzt hat, natürlich nicht beantwortet. Einheitsmeinungen in Sachen Kabarett von Frauen gibt es eben nicht.
Wer „Witz & Donna“ bisher nicht zur Kenntnis genommen hat, hat schon einiges verpaßt. Da wäre die Hamburgerin Helga Siebert gewesen, deren satirischer Kosmos eine Garderobe ist. Dort trifft sie auf bösartige Kinder und in Schaufensterpuppen verwandelte Politiker, deren Schwächen sie mit ihrer messerscharfen Schauspielkunst wie Kerne aus dem Fruchtfleisch schält. Zu sehen gewesen wären außerdem eine auf Clown getrimmte Zürcherin und eine hessisch schwätzende Zauberin, die die Eitelkeiten der Männer schonungslos guillotiniert. Türkische Bodenkosmetikerinnen haben die bundesdeutsch-türkische real-soziale Doppelhochzeit mit Heimatschizophrenie gefeiert, und die Unart-Künstlerinnen haben Auszüge aus ihrem in über zehn Jahren gewachsenen Grotesktanzrepertoire aufgeführt. Nie ist klar, wer der Adressat ihrer genialen Wirklichkeitsverzerrungen ist.
Genialer Hüben- Drüben-Katechismus
Unbestrittener Höhepunkt waren Hilde Wackerhagen aus Frankfurt a.M. und Barbara Kuster. Sie spielen die echte Ost-West-Beziehung, das Wir-Ihr-Syndrom, den Hüben- Drüben-Katechismus, die Sozialismus-Kapitalismus-Schleuder. In schonungsloser Kleinarbeit wird die Wiedervereinigung seziert, das Leben der Ossis gegen das Leben der Wessis aufgerechnet. Das kommt als ein improvisierter Schlagabtausch zwischen den beiden – und es kommt gut. Barbara Kuster beherrscht den Trick mit den Miniaturanspielungen perfekt, war es doch das frühere DDR-Kabarett-Handwerkszeug. „Die Leute in der DDR saßen hochkant in den Sitzen. Die haben Sachen gehört, die gar nicht beabsichtigt waren. Heute muß man plakative Dinge tun, damit die Leute dranbleiben. Wenn man eine Idee rüberbringen will, muß sie Show- Wert haben.“ Der Pädagogin und früheren Rocksängerin Kuster gelingt es denn auch, Hilde Wackerhagens Gesangstabu zu brechen, das sie ein paar Stunden vorher noch zu Protokoll gegeben hatte (siehe Interview). Hilde, für die Kabarett eigentlich nicht Cabaret sein kann, singt auf der Bühne.
Das kongeniale Duo widerlegt die nicht selten geäußerte Meinung, daß die Grenze des Frauenkörpers die Grenze des Frauenkabaretts ist. Ausgehend von Wahrnehmungen aus dem persönlichen frauenspezifischen Alltag, gelingt ihnen auch der Sprung zur großen Politik. Der Tortenboden der Wessis kann nie der Tortenboden der Ossis werden, und Barbara Kuster spielt keine Putzfrau, weil: „Bei uns waren die Frauen genauso politisiert wie die Männer, aber seitdem ich mit Hilde Wackerhagen zusammenarbeite, habe ich gesehen, daß die Frauen im Westen oftmals nur die Petersilie im Kabarett sind.“
Seit zwei Jahren gibt es das Netzwerk „Frau und Kabarett“. Es gibt Unterstützung beim Hürdenlauf im Showbusiness, aber auch Kritik. In unregelmäßigen Abständen wird ein Querschnitt durch die Programme der Künstlerinnen gezeigt. Diesmal findet diese „Frontfrauenrevue“ also in Berlin statt. Um das Wort gab es übrigens viele Auseinandersetzungen. „Das Frontschwein auf der Bühne ist gemeint – um es mal leger zu sagen. Wir stehen an der Kante und ledern runter“, so Barbara Kuster. Na denn! Waltraud Schwab
Frontfrauenrevue, heute und morgen um 20.30 Uhr in der UFA-Fabrik, Viktoriastraße 10–18, Tempelhof; Die Bodenkosmetikerinnen, bis 15.10., 20 Uhr, Ratibor- Theater, Cuvrystraße 20, Kreuzberg.
„Frontfrauen“, hg. von Marianne Rogler, Kiepenheuer & Witsch, 223 Seiten, 16,80 DM.
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