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Filmisch das Bilder- verbot beachten

■ Die Tibet- und Mongolei-Filme von Wolf Kahlen, dem Herrn der Ruine der Künste, sind jetzt eine Woche zu sehen

Ein starker Einstieg: Als erstes sieht man Dunkelheit. Regen prasselt auf das Dach. Dann leuchtet ein Blitz für einen kurzen Augenblick das Innere des Rundzelts aus, das Licht reflektiert auf einer golden glänzenden Statue. Nichts deutet darauf hin, daß hier gerade eine religiöse Zeremonie gefilmt wird. Doch genau das ist der Fall: Der Berliner Künstler und Filmemacher Wolf Kahlen hat sich in seinem Film „Dakinis in Jurten – Chöd-Meisterinnen in der Mongolei“ auf hintersinnige Art an ein Bilderverbot gehalten – er hat den Ritus der buddhistischen Chöd- Priesterin gefilmt, aber gezeigt hat er ihn nicht.

„Dakinis in Jurten“, im vergangenen Jahr entstanden, ist einer von insgesamt sieben Dokumentarfilmen von Wolf Kahlen, die ab morgen eine Woche lang im Dahlemer Museum für Völkerkunde präsentiert werden. Seit zehn Jahren reist Kahlen regelmäßig für ein bis zwei Monate im Jahr nach Tibet und in die Mongolei. In beiden Ländern wurden bis vor kurzem Anhänger des Buddhismus verfolgt, Klöster zerstört, Mönche und Nonnen massakriert.

Kahlen, selber Buddhist, hat sich mit der Videokamera auf die Suche nach vergessen geglaubten Ritualen gemacht („Der Dämon im Stein“, 1988/90), hat das Werk des universell gebildeten „tibetischen Leonardo da Vinci“ aufgespürt („Thang-stong rGyal-po – Leben und Werk“, 1985/95) oder den fünfjährigen Tulku porträtiert, der als Reinkarnation des 1983 verstorbenen Gelehrten Tsenshap Serkong verehrt wird („Vom Leben und Sterben und der Wiederkehr des Serkong Rinpoche“, 1988).

Dabei förderte Kahlen Erkenntnisse zutage, die selbst für ausgewiesene Kenner der Materie neu sein dürften. In „Dakinis in Jurten“ beispielsweise gelang ihm der Nachweis, daß es in der Abgeschiedenheit der Wüste Gobi, aber auch in der Hauptstadt Ulan Bator sehr wohl ordinierte und initiierte buddhistische Priesterinnen gibt – in der „seriösen“ Wissenschaft war dies bislang rundweg bestritten worden.

Dokumentarfilme folgen eigenen Gesetzmäßigkeiten. Ein gewisses Interesse am Thema muß von vornherein da sein, sonst geht gar nichts. Und noch etwas muß man mitbringen: Zeit. Bei Kahlen werden die Einstellungen lang und immer länger, sie dehnen sich wie der träge Lauf der Dinge, von dem sie handeln. Manchmal hat es den Anschein, als würden sich einzelne Szenen wiederholen, wie etwa in dem parabelhaften Film „sKor- Iam“ von 1985/90, der von dem lebenslangen „Unterwegssein“ der Tibeter erzählt. Diese Videos haben ihren eigenen, elegischen Rhythmus.

Bei alledem kann und will Kahlen seine Herkunft als Bildender Künstler nicht verleugnen: Er belohnt einen mit klar komponierten, hinreißend schönen Bildern. Die Stilmittel wachsen über sich hinaus. In einer der Schlüsselszenen von „Dakinis in Jurten“ folgt die Kamera, vielleicht im Ganzen eine halbe Minute lang, in Zeitlupe den rituellen Bewegungen der 81jährigen Dolgin Surenmaa.

Dabei passiert etwas Erstaunliches: Trotz extremer Verlangsamung wirkt die Mimik der Priesterin, die man nun aus fast qualvoller Nähe betrachtet, natürlich und – nicht wie sonst bei Zeitlupensequenzen – entstellt. Die physische und psychische Präsenz der alten Frau, triumphiert über die Willkür der Technik. Solche Momente der Konzentration machen Wolf Kahlens Filme sehenswert. Ulrich Clewing

Die Werkschau „Tibet. Mongolei“ ist vom 15. bis zum 22. 10. im Museum für Völkerkunde, Lansstraße 8, zu sehen. Vorstellungen mit wechselndem Programm, jeweils 14.45 und 18 Uhr.

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