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"Politologen als Portiers"

■ Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) will Studiengebühren

taz: Der frühere Präsident des Wissenschaftsrats, Dieter Simon, hat die Hochschulerneuerung im Osten heftig kritisiert und von einem Triumph von Mittelmaß und Anpassung gesprochen.

Manfred Erhardt: Das ist ein viel zu pauschales Urteil, das für Berlin überhaupt nicht zutrifft. Wir haben keine Überleitungen vorgenommen, sondern jede Professur an unseren Ostberliner Hochschulen ausgeschrieben und nach Maßgabe der Bestenauslese besetzt.

Das betrifft aber nur die Personen, nicht das ganze System. Das desolate westliche Hochschulmodell ist ohne irgendwelche Veränderungen auf den Osten Deutschlands übertragen worden.

Es war nach dem Einigungsvertrag die Zielsetzung, das ostdeutsche Hochschul- und Forschungssystem in die gemeinsamen Weststrukturen einzubeziehen.

Ich gebe zu, daß man manche Dinge, die wir im Westen selbst beklagen, im Osten nicht hätte einführen sollen, zum Beispiel die ständestaatliche Verfassung der Hochschulen.

In den Reformdebatten spielt die Forderung nach Studiengebühren eine Rolle. Sie haben sich wiederholt für dieses Finanzierungsmodell ausgesprochen.

Wir werden in den nächsten Jahren nicht damit rechnen dürfen, daß Hochschule und Forschung besser dotiert werden. Wenn der Staat selber nicht mehr Geld gibt, wenn wir auch nicht damit rechnen können, daß sich die Wirtschaft mit Drittmitteln stärker engagiert, dann sollten wir eine dritte Finanzierungsquelle anzapfen, die international üblich ist.

Warum ermächtigen wir die Hochschulen nicht, Studiengebühren zu erheben, wenn sie dies wollen, und in einer Höhe, die sie für vertretbar halten? Dann können diejenigen Hochschulen, die sich unterfinanziert wähnen, zusätzliches Geld über Studiengebühren beschaffen.

Allerdings setzt das voraus, daß sie so gut sind, daß die Studierenden an diese Universität gehen, auch wenn Studiengebühren erhoben werden. Das wird zu einer Ausdifferenzierung im Hochschulsystem führen, zu einem Ranking nach Qualität und zu mehr Wettbewerb.

Viele BefürworterInnen einer Studiengebühr sehen darin auch einen Ausweg aus der Massenuniversität.

Nein, das hat damit gar nichts zu tun. Selbstverständlich müssen die Studiengebühren ganz erlassen oder reduziert werden bei denjenigen, die das Studium sonst nicht finanzieren könnten.

Um der Massenuni zu entkommen, wollten Sie die Humboldt- Universität im Osten Berlins zur Elitehochschule machen. Doch das hat sich nicht realisieren lassen.

Doch. Wir haben an der Humboldt-Universität in der Tat eine besonders hohe Qualität. Es geht nicht um eine Elite nach Finanzen, Besitz oder Herkommen, es geht um eine Leistungs- und Verantwortungselite.

Unsere Hochschulen müssen aufgrund der hohen Ausbildungsqualität, die sie anbieten, auch eine hohe Qualität bei den Studierenden und Absolventen erzielen. Wir können es uns nicht leisten, den einzigen Reichtum, den wir haben, unseren Geist, nicht zu fördern und nicht zu fordern.

Dazu gehört auch die Ausbildungsförderung. Über eine Bafög- Reform wird derzeit heftig gestritten. Welches der zur Zeit diskutierten Finanzierungsmodelle würden Sie bevorzugen?

Die öffentliche Diskussion über den Vorschlag von Bundesminister Rüttgers, das Bafög- Darlehen zu verzinsen, wird unlauter geführt. Die Gegner sehen nicht, daß Rüttgers der erste Wissenschaftsminister ist, der sagt, wenn ich nicht mehr Geld von meinem Finanzminister bekomme, dann muß ich innerhalb meines Ressorts umschichten.

Seit klar ist, daß die Bafög-Empfänger während des Studiums und vier Jahre nach dem Hochschulabschluß keine Zinsen zu zahlen haben, halte ich den Vorschlag für wirklich diskussionsfähig.

Ich halte es für ausgesprochen gerecht, wenn derjenige, der als Arzt oder als Rechtsanwalt viel verdient, das Darlehen verzinst zurückzahlt. Im jetzigen System wird eine Verteilung des Geldes von unten nach oben vorgenommen.

Die Zahl der Studierenden hat in letzter Zeit erstmals abgenommen, in einigen Fächern sogar ganz erheblich. Halten Sie das für ein vorübergehendes Phänomen an den Hochschulen?

Das ist schwer zu sagen. Die rückläufige Studienanfängerzahl ist einerseits demographisch bedingt. Demnach gehen die Prognosen der Kultusministerkonferenz davon aus, daß die Zahl der Studienbewerber vielleicht schon ab dem kommenden Herbst, auf jeden Fall aber in den nächsten zwei Jahren wieder steigen wird.

Die wesentliche Größe ist aber die rückläufige Studierneigung. Unsere jungen Menschen reagieren recht sensibel auf die negativen Signale vom Arbeitsmarkt. Sie überlegen sich also, ob sie studieren wollen oder nicht eine berufliche Ausbildung vorziehen.

Halten Sie das für ein begrüßenswertes Phänomen? Die Arbeitslosigkeit unter AkademikerInnen ist noch immer deutlich geringer als in der Gesamtbevölkerung. Herr Simon läßt sich lieber von einem Taxifahrer chauffieren, der Theologie studiert hat, als von einem, der nicht die Universität besucht hat.

Ich freue mich auch immer, wenn ich ins Hotel Kempinski gehe und dort einen Diplompolitologen von der FU als Türsteher sehe. Natürlich kann man sich mit ihm gut unterhalten.

Ich bin auch dezidiert der Meinung: Bildung ist ein Wert an sich. Man darf das aber nicht von Staats wegen verordnen. Das ist eine Frage der persönlichen Lebensplanung. Wenn Sie nun sagen, daß der Hochschulabsolvent weniger der Arbeitslosigkeit ausgesetzt ist als der durchschnittliche Arbeitnehmer, so haben Sie völlig recht. Allerdings auf Kosten einer ausbildungsadäquaten Beschäftigung der Akademiker.

Interview: Ralph Bollmann

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