: Törtchen auf Reisen
■ Reisejournalist, auch ein Beruf
Reisejournalisten reisen gern, sind neugierig und anspruchsvoll. Ihre Recherchen zwischen Hotelbar und touristischem Highlight sind schon im Ansatz tiefschürfend. Denn Alkohol löst bekanntlich die Zungen. Und so mancher Politiker verrät beim freundlich servierten Schampus auch den geheimsten Investor. Gisela P. beispielsweise ist Reisejournalistin. „Ich reise einfach gern“, erzählt die elegante Frau bei der Vorspeise, Makrelentörtchen. Reisen und Malen sind ihre Leidenschaft. Und wenn sie mal keine Einladung zu einem neuen touristischen Highland hat, dann betreut sie ihre Vernissagen. Reisejournalismus sei für sie mehr Berufung als Beruf. Entenbrust in Ingwer-Sauce.
Mit ihren bläulichen hochhackigen Lackschuhen und dem rosa Kostüm paßt Gisela P. ins elegante Umfeld. Auch sie ein Törtchen. Der zum Kaffee servierten süßen Leckerei mit der Erdbeercreme nicht unähnlich. Und unter ihren graublau gewandten, immer hinterhertrottenden männlichen Kollegen eine Wohltat, nicht nur fürs Auge.
Gisela P. tänzelt über den Strand. In ihrem Windschatten Bürgermeister und Hotelier. Galant reicht ihr der Bürgermeister den Arm, wenn sie mit ihren Stöckeln zu versinken droht, während der Hotelbesitzer aus den hervorragenden Artikeln über sein Hotel in einem amerikanischen Reisehandbuch zitiert. Gisela P. wiegt wohlwollend den Kopf. Ihr Artikel wird den Hinweis aufs internationale Renommee des Hotels nicht übergehen. Sie weiß, was ankommt. Schon immer habe sie einen untrüglichen Sinn für Stil gehabt. Das komme ihr jetzt zugute.
Schampus in der Empfangshalle. In der Tat ist es nicht leicht, das Interieur eines Vier-Sterne- Hotels nach seinen Schwachstellen und Glanzstücken abzuklopfen, geschweige denn darüber zu schreiben. Die Nuancen sind fein, die Imitationen gekonnt. Gisela P. ist auf der Hut. Der Bürgermeister ist in Stilfragen wenig bewandert. Sein Thema ist die heimische Küche. Doch schon beim Wein muß er passen.
Dafür erzählt er Gisela P. mehr über die Geschichte des Ortes. Das hat ihr zur vollendeten Geschichte noch gefehlt, auch die offiziellen Worte des Fremdenverkehrsmanns. Der bringt die Fakten. Nach einem Abendessen, Probeschlafen im Hotel und einer Stippvisite in der Region ist die ausführliche Reisereportage in 24 Stunden recherchiert: ein engagierter Einsatz für Informationen aus erster Hand und intensives Erkunden vor Ort. Kein Wunder, daß sich viele Hoteliers dieses Produkt einiges kosten lassen. Toast! ed
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