Kriegswolken über Ostafrika

■ Während Burundis Staat zerfällt, fürchtet Ruandas RPF „Einkreisung“ durch exilruandische und burundische Hutus

Brüssel (taz) – Es klingt wie eine wichtige Nachricht: Burundis Präsident Sylvestre Ntibantunganya hat am Donnerstag seine Regierung umgebildet und unter anderem den Innen- und den Außenminister entlassen. Aber die Wirkung eines solchen Ereignisses darf nicht überschätzt werden. In Burundi ist zur Zeit ein Verfall der politischen Strukturen zu beobachten. Burundis Politiker trauen sich gegenseitig nicht, die Regierung traut der Armee nicht. Sollte Präsident Ntibantunganya, wie viele fürchten, einem Attentat zum Opfer fallen oder vom Parlament abgesetzt werden, dürfte Burundi den Weg des Zerfalls nach dem Muster Somalias oder Liberias gehen – mit düsteren Konsequenzen für die gesamte Region.

Die von der einst diktatorisch herrschenden Tutsi-Militärelite dominierte burundische Armee verliert zusehends die Kontrolle über den Norden des Landes. Immer schwerer wird es ihr dort, die in Zaire basierte burundische Hutu-Guerilla FDD („Front zur Verteidigung der Demokratie“) von der ebenfalls in Zaire stationierten, ebenfalls aus Hutus bestehenden und für den Völkermord von 1994 mitverantwortlichen ehemaligen Regierungsarmee Ruandas zu unterscheiden. Beide benutzen, so das burundische Militär, dieselben südafrikanischen R4-Gewehre. Das in Bedrängnis geratende burundische Militär soll nun nach FDD-Aussagen nordkoreanische Söldner zwecks Ausbildung an Raketenwerfern angeheuert haben. Ein solcher Söldner sei am 20. Juli in Nyambuye nahe der Hauptstadt Bujumbura getötet worden, nachdem ihn die örtliche Bevölkerung mit einem schweren 107-mm-Artilleriegeschütz beobachtet habe.

Für die ruandischen Hutu- Truppen in Zaire ist Nordburundi ein nützliches Aufmarschgebiet gegen die in Ruanda herrschende, von Tutsis dominierte „Ruandische Patriotische Front“ (RPF): Während die ruandisch-zairische Grenze vom Kivu-See und hohen Bergen bestimmt wird und relativ wenige Möglichkeiten zum Einmarsch bietet, ist die Grenze zu Burundi eher „offen“ – und Burundis Armee ist mit 12.000 Mann nur ein Viertel so groß wie die Armee der RPF. Ruandas RPF-Regierung fühlt sich ihrerseits von den Aktivitäten ruandischer und burundischer Hutu-Truppen zunehmend bedroht. Laut Jérôme Ndiho, politischer Sprecher der FDD, hat die RPF Burundis Militär in der Provinz Kirundo mit Patrouillen unter die Arme gegriffen und ist einer von Guerillakämpfern eingekreisten Polizeieinheit in Ruhwa in der Provinz Cibitoke zu Hilfe gekommen. Der ruandische Vizepräsident und RPF-Führer Paul Kagame hat jüngst auch mehrmals die Möglichkeit eines Präventivschlages gegen die in Zaire stationierten Hutu-Milizen angedeutet und zugleich unterstrichen, er wolle so etwas nicht herbeiwünschen. Sollte es dazu kommen, wäre Zaire in den Konflikt hereingezogen, vielleicht auch Ruandas Verbündeter Uganda.

Bisher haben schwere Krisen und Konflikte sich immer nur entweder in Ruanda oder in Burundi ereignet – noch nie gleichzeitig. Die schleichende Internationalisierung des Konflikts um die beiden Länder könnte es diesmal anders kommen lassen. Die USA, Frankreich, die UNO und die OAU versuchen jetzt, eine Friedens- und Stabilitätskonferenz für die Region auf die Beine zu stellen. Aber die Gefahr einer militärischen Eskalation wächst zur Zeit schneller als die Chance einer diplomatischen Lösung. Francois Misser