■ Von Bademeistern zu Bürgermeistern: Der kleine Bundesrat
Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, hat eine politische Institution deutlich an Gewicht gewonnen: der Rat der Bürgermeister. Jeden zweiten Donnerstag tagt das Gremium aus 23 Bezirksbürgermeistern im Roten Rathaus, dem der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) vorsitzt, der sich aber meistens von Bürgermeisterin Christine Bergmann (SPD) vertreten läßt.
Ob der Senat nun weniger Straßen reinigen lassen oder flächendeckend Parkgebühren kassieren will, immer muß er diesen Rat mit seinen 16 SPD-, 5 CDU- und 2 Bündnisgrünen- Mitgliedern um seine Meinung fragen. Zwar darf der Senat völlig unabhängig entscheiden, doch für die Landesregierung ist es schwieriger geworden, die Interessen der Bezirke zu ignorieren.
Jüngstes Beispiel für die neue Macht von unten sind die gescheiterten Pläne von Sportsenator Jürgen Klemann (CDU). Er wollte die städtischen Bäder privatisieren. Mit Geschick verhinderten die Bezirke Klemanns Bäder GmbH, bei der der Einfluß des Landes und der Bezirke denkbar gering werden sollte. Nun wird aus den Bädern eine Anstalt Öffentlichen Rechts. Andere Konfliktpunkte waren das seit diesem Jahr eingerichtete Landesschulamt und die Überführung von Jugendeinrichtungen und Heimen aus der Zuständigkeit der Bezirke in die der privaten Träger.
Nicht überall konnte sich der Rat der Bürgermeister in seinem Sinne durchsetzen. Bei Niederlagen wie dem Landesschulamt aber konnte das Bezirksgremium das Schlimmste verhindern: Ein Teil des Personals blieb in kommunaler Hand.
Bezirksinteressen sind den Ratsmitgliedern wichtiger als Parteigrenzen. „In 97 Prozent aller Fälle entscheiden wir gleich“, sagt Wilmersdorfs Bürgermeister Horst Dohm (CDU). Er soll mit den SPD- Bezirkschefs Peter Strieder, Monika Wissel, Uwe Saager, Hans Nisblé und Detlef Dzembritzki (alle SPD) zu den Machern gehören. Seine Kritik am Senat: „Der dreht massiv an unseren Zuständigkeiten.“ Weil der Rat der Bürgermeister eine „zahnlose Einrichtung“ sei, wünscht sich der CDU-Mann ähnlich viele Kompetenzen wie beim Bundesrat. Mit einem Vetorecht könnte verhindert werden, daß etwa Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) wie jüngst bei der umstrittenen Bebauung des sogenannten Wieland-Parkplatzes die Zuständigkeit an sich reißt.
Daß dennoch der Rat nicht mehr so unbedeutend wie vor wenigen Jahren ist, macht Peter Strieder aus Kreuzberg ausgerechnet an jenem Bausenator fest. Früher habe Nagel nur vom „Rat der Bademeister“ gesprochen, inzwischen erscheine er bei den Sitzungen persönlich. Die Verwaltungsreform, die auf Dezentralisierung und somit auf die Stärkung kommunaler Interessen zielt, soll das Selbstbewußtsein jener „Bademeister“ maßgeblich gefördert haben. Kein Wunder, daß mit dieser Reform alles anfing: Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) wollte nur als Pilotversuch in ausgesuchten Bezirken starten. Doch das war dem Rat zu wenig, er machte Druck, und so werden die Verwaltungen in allen 23 Bezirken reformiert. Dirk Wildt
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