: Kohl ist die Botschaft
Auf dem CDU-Parteitag impft Kohl den Delegierten Zuversicht ein. Biblische Zitate ■ Aus Karlsruhe Hans Monath
Helmut Kohl, dem zu jedem Jahrestag eine historische Lektion einfällt, vekniff sich gestern einen naheliegenden Verweis: Genau ein Jahr nach dem knappen Sieg von Union und Liberalen in der Bundestagswahl vom 16. Oktober 1994 eröffnete der Bundeskanzler und Parteichef gestern in Karlsruhe den 7. Parteitag der CDU, der sich drei Tage lang vor allem dem Thema „Zukunft“ widmen will.
Angesichts der Dauerschwäche der Opposition konnte Kohl zwölf Monate nach der Bundestagswahl gestern seiner Partei mit dem Satz schmeicheln: „Wir sind die einzige politische Kraft in Deutschland, die in unserem Volk Mehrheiten finden kann.“
Genau diese Stärke und die nach Bundestagssitzen so knappe Mehrheit der konservativ-liberalen Regierung aber werden auf einem Parteitag zum Problem, der bei der Vorbereitung der Zukunft die Erarbeitung neuer Antworten und damit die Aufgabe liebgewonnener Positionen sowie Zumutungen an die eigene Klientel verlangt. Das merken in Karlsruhe nicht zuletzt jene Vorkämpfer stärkerer ökologischer Elemente in der Steuerpolitik innerhalb der CDU, die sich von Helmut Kohls stillem Schwenk hin zu den Bremsern von der bayerischen Schwesternpartei bei den Strategiegesprächen vor zwei Wochen düpiert fühlen mußten.
Mit Blick auf die eigene Stärke und die Leistungen der Vergangenheit erhob Kohl für die CDU gestern den Anspruch, auch die Politik des kommenden Jahrhunderts in der Bundesrepublik zu gestalten. In Karlsruhe müsse die CDU deutlich machen, daß sie sich besser als jede andere Partei für die Aufgaben der Zukunft rüste und sich auf die neuen Herausforderungen vorbereite, forderte der Parteichef.
Gegen Verunsicherung und Ängste der Menschen vor Umwälzungen und einer kalten Gesellschaft, die auch den Delegierten bewußt sind, bot Kohl biblische Zuversicht. Der Engel von Bethlehem habe den Hirten schließlich nicht „ein großes Problem“ angekündigt, sondern habe gesprochen: „Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch eine große Freude.“
Kohl präsentierte zur Eröffnung eine Rede, die zwischen den beiden Polen „bewahren“ und “ „verändern“ die Grundelemente eines modernen Konservativismus auf fast allen wichtigen Politikfeldern durchexerzierte. Auf neue Akzente aber mußten Zuhörer vergeblich hoffen.
Als stärkste Aussage durfte der Anspruch Kohls gewertet werden, viele verschiedene mächtige Stimmungen und Entwicklungen der Gesellschaft aufzugreifen, sie als Integrator trotz bestehender Widersprüche zusammenzuführen und zumindest rhetorisch ihren Anspruch anzuerkennen.
So verlangte Kohl auf der einen Seite, Zukunftstechnologien wie Computer oder Datennetze zu fördern, um „Millionen neuer, zukunftsfähiger Arbeitsplätze zu schaffen“, und sprach sich für Eliten aus. Wenig später warnte er davor, die Opfer von Modernisierungsprozessen zu Außenseitern zu machen. – Den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und den Schutz des Klimas nannte Kohl zwar „Schicksalsfragen der Menschheit“, bot aber nur altbekannte Vorschläge zum Thema. Umweltschutz sei nur „mit und nicht gegen die Wirtschaft“ in der Bundesrepublik und in Europa zu erreichen, mit nationalen Alleingängen sei niemandem gedient.
Am heutigen Dienstag beschäftigen sich die Delegierten in vier Foren mit dem Thema „Wie machen wir Deutschland zukunftsfähig?“ Dabei sollen keine Beschlüsse gefaßt, sondern lediglich Fragen aufgeworfen werden. Beschlüsse sollen dann auf dem Parteitag im Herbst 1996 gefaßt werden. Spannend wird es am Mittwoch, wenn die Delegierten innerhalb eines halben Tages über umstrittene Elemente zur Parteireform zu entscheiden haben. Nach intensiver Vorarbeit der Parteiführung gilt als wahrscheinlich, daß ein Frauenquorum von einem Drittel in die Satzung aufgenommen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen