: Herrenabend auf Staatskosten
■ Trotz Preisskatabend und Kabarett in Berlin auf Fraktionskosten - es wird kein Strafverfahren gegen Bremerhavener Stadtverordnete eingeleitet
Kabarettkarten, Tennisturniere, Herren- und Preisskatabende – all das hatten Bremerhavener Stadtverordnete 1992 unter anderem aus ihrer Fraktionskasse bezahlt (taz 28.8). Vom Rechnungsprüfungsamt Bremerhaven kassierten sie dafür eine Rüge. Auch die Staatsanwaltschaft wurde nach den Veröffentlichungen der taz hellhörig. Doch ein Strafverfahren wegen Veruntreuung o.ä. müssen die Fraktionen nicht fürchten. „Dafür gibt es einfach keine rechtliche Grundlage“, sagt die Bremer Staatsanwältin Lutzebäck.
Daß sämtliche Fraktionen der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung das Geld aus ihrer Fraktionskasse, die aus Steuergeldern gespeist wird, zweckentfremdet ausgegeben haben, steht außer Frage: Die Deutsche Volksunion (DVU) schlemmte für knapp 2.000 Mark. Außerdem ließ sich die Fraktion die Verteilungen von Werbezeitungen rund 12.000 Mark kosten. Auch die Grünen gaben sich großzügig: Sie zahlten einer Stadtverordneten den Babysitter. Die FDP labte sich bei einem „Abendessen mit Damen“ für rund 800 Mark, und die SPD fiel durch horrende Personalkosten (140.027 Mark) auf.
Besonders schnell griff die CDU in die Fraktionskasse: Für fast 11.000 Mark fuhren die Christdemokraten nach Berlin. Die Fraktion amüsierte sich auf Steuerzahlerkosten im Kabarett und auf der Bootsausstellung. Auch die Auslagen für einen Herrenabend ließen sich die CDU'ler erstatten – selbstredend auch die Auslagen für einen Herrenabend beim Kreisportbund. Sogar zwei Preisskat-Abende gingen auf Rechnung der CDU.
„Nach bestem Wissen und Gewissen“ habe die Fraktion das Geld ausgegeben, betonten die CDU'ler gegenüber dem Rechnungsprüfungsamt. Die Kritik der Behörde sei „nicht gerechtfertigt“. Schließlich gab es „1992 keine Verwendungsregelungen“, argumentierten die Christdemokarten. Das ist auch der Grund für die Staatsanwaltschaft, kein Verfahren einzuleiten. „Ich war erstaunt, daß es keine Regelungen gab“, wundert sich Lutzebäck. Den Stadtverordneten könne man deshalb keinen Vorsatz nachweisen. „Alle Fraktionen können sich darauf berufen, sie hätten es nicht besser gewußt“, sagt Lutzebäck. „Das gilt allerdings nur für diesen Bericht. Das nächste Mal müßten sie es besser wissen.“
Nach Meinung der Juristin kommt noch hinzu, „daß politischen Gremien ein größerer Freiraum zugestanden wird als der Verwaltung, wo der Rahmen deutlicher definiert ist.“ Für ein Strafverfahren sieht sie daher keine Chance. „Das heißt aber nicht, daß das Geld zivilrechtlich nicht zurückgefordert werden könnte.“
Das will Dr. Hartwin Meyer-Arndt, Präsident des Rechnungshofes, auch versuchen. Er wartet derzeit noch auf den Schlußbericht für das Jahr 1992 aus Bremerhaven. Der Rechnungshof ist für die überörtliche Gemeindeprüfung zuständig. Dafür erhält er vom Rechnungsprüfungsamt den Schlußbericht, in dem die Prüfung der Fraktionskassen jedoch nur grob wiedergegeben ist.
Damit Meyer-Arndt sich eingehender mit dem Finanzgebaren der Fraktionen auseinandersetzen kann, will ihm Amtsleiter Jürgen Lotz „ausnahmsweise“ den Prüfungsbericht über die Fraktionskassen zuschicken. „Das Geld muß zurückgefordert werden“, ist sich Meyer-Arndt allerdings schon jetzt sicher. Zwar gebe es nur in Berlin ein Gesetz, das die Rückforderungsansprüche regelt. „In Bremen gibt es das bedauerlicherweise nicht“, moniert Meyer-Arndt.
In Berlin sei jedoch nur „ein Rechtsgedanke ausgesprochen worden“, der dem allgemeinen Rechtsverständnis entspreche. Selbst wenn sich aus dem Gesetz keine eindeutigen Rückforderungsansprüche ableiten lassen, will Meyer-Arndt es auf einen Prozeß ankommen lassen. „Wir können uns das nicht gefallen lassen.“ kes
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