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Werbegag statt Millionenerbe

■ Ein betrügerischer Schäferhund geistert durch Italiens Frauenfußball und kommt von Nationalspielerin Morace nicht los

Verona (taz) – Carolina Morace (31), 133 Länderspiele für Italien mit 92 Toren, ist eine der erfolgreichsten und am besten vermarkteten Fußballspielerinnen in Europa. Ihre Jahresgage liegt jenseits der 100.000-Mark-Grenze. Dafür scheinen Tore und Titel garantiert. 417mal traf Carolina in 404 Ligaspielen seit 1979. Wo immer sie spielt – der Club wird zumindest Meister, oft auch Pokalsieger. Im letzten Jahr profitierte das bei Florenz gelegene Team von Agliana davon. Zuvor waren es Torres auf Sardinien, Reggiani, Milan, Trani ... Seit acht Jahren in Folge ist Carolina Morace Italiens Torschützenkönigin.

Und doch endete trotz Aglianas Double die letzte Saison mit einem Medienskandal. Denn der Frauenfußball war auf den Hund gekommen beziehungsweise der Hund auf die Fußballfrauen. „Gunther IV.“ heißt der Vierbeiner, ein deutscher Schäferhund. Gunther, so hieß es, sei 160 Millionen Mark schwer und führe ein wahres Nobelleben. Er residiere in einer Villa bei Pisa, schwimme gern im Pool und liebe ausgewogene Ernährung vom Feinsten, wenn er Gassi gehe, tue er dieses nur im Cabrio, natürlich mit Chauffeur. Diesen Reichtum habe der Hund von einer Münchner Gräfin geerbt. Doch dürfe laut Testament das Geld nur für soziale Zwecke im Sport ausgegeben werden. Unter der Bedingung, daß „Gunther IV.“ Ehrenpräsident des bedachten Vereins werden müsse.

Der Haken an der Sache: Sie stimmt nicht. Die Gräfin hat es nie gegeben. Vielmehr sind sie und der Schäferhund Medienzugpferd für die „Gunther Foundation“. Eine Gruppe, die finanziell von einem Pharmaproduzenten aus Pisa gespeist wird. „Wir haben etwas dazugedichtet. Aber alle Medien und Vereine haben diese Pille geschluckt“, sagt Pharma-Boss Maurizio Mian, der behauptet, das Ziel seiner Stiftung sei es, „Solidarität im Sport zu fördern und Intoleranz in der Gesellschaft zu stoppen“.

Gunther IV. klinkte sich bei Agliana ein, und Agliana freute sich über die neue Allianz. Gunther IV. fühlte sich wohl bei den Fußballerinnen, war fortan bei jedem Heimspiel zugegen. „Werden wir Meister, wird der Hund zur nächsten Saison wahrscheinlich unser Hauptsponsor“, freute sich Abteilungsleiterin Laura Benvenuti schon über den zu erwartenden Geldsegen. Daß der Hund ihr Ehrenpräsident sei, störe sie nicht, meinte auch Carolina Morace: „Gunther hat die gleichen Ziele wie wir.“ Und doch kam es zum Krach.

Schuld daran ist angeblich ein Kuß, den die Fußballerin in einer TV-Talkshow dem umstrittenen Kulturpolitiker Vittorio Sgarbi verabreichte, während sie eigentlich für die Gunther-Gruppe auf einem medizinischen Kongreß repräsentieren sollte. „Wir haben nichts gegen Küsse, Liebe und Sex. Unsere Philosophie ist progressiv, aber Sgarbi verkörpert genau das Gegenteil“, wetterte Maurizio Mian. „Sgarbi ist ein politischer Konformist und häßlich.“ Aus war es mit der Allianz zwischen Schäferhund und Aglianas Fußballfrauen. Um so mehr verwunderte, daß Gunther zu Beginn der neuen Saison ausgerechnet bei Verona einstieg, dessen Team nun „Verona Gunther“ heißt. Der Titelkandidat für 1995/96 hat mächtig eingekauft: Stefania Antonini, Manuela Tesse, Rafaella Salmaso, Adele Marsiletti, Fiorinda Ciardi, Betti Bavagnoli und eben Carolina Morace bringen es gemeinsam auf über 400 Länderspiele.

Nicht zuletzt weil auch im italienischen Frauenfußball die großen Sponsoren Mangelware sind, ließ sich Carolina Morace von Agliana weglocken und besteigt fortan anstelle des Fliegers von Rom ins Florentinische den Jet nach Verona. Auf der Strecke geblieben sind die in Agliana zurückgelassenen, weniger wertvollen Spielerinnen. Daß der Titelverteidiger nach vier Spielen erneut Tabellenführer war, Verona aber nur Vierter, scheint da nicht sonderlich aussagekräftig zu sein. Denn Carolina Morace trifft weiterhin. Sechs Tore stehen schon zu Buche. Veronas Erfolg scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Rainer Hennies

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