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SanssouciNachschlag

■ Theweleit und Müller küßten sich in der Kulturbrauerei

Veranstaltungen, bei denen wichtige Männer zusammmen auf der Bühne sitzen, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Gestern trafen sich Heiner Müller und Klaus Theweleit, der gerade in den Ost-PEN aufgenommen wurde, in der überfüllten Kulturbrauerei. Wer sich auf wilde Auseinandersetzungen gefreut hatte, wurde enttäuscht. „Ich streite mich nicht öffentlich mit Leuten. Das finde ich blöde“, meinte Theweleit. Trotzdem und obgleich beide Whisky tranken, fanden beide nicht so recht zueinander und wirkten so rührend wie Verliebte, die sich immer nur sprachlos anstrahlen können.

Ein bißchen nervös, als werde er examiniert, las Theweleit aus seinem „Buch der Könige“ vor. Anderthalb Stunden ging es um Kunst und Macht, um Warhol und Pop und die Frage, warum und wie sich Getrude Stein und Gottfried Benn mit den Faschisten einließen und aus welchen Gründen Thomas Mann beispielsweise gefeit war gegen die Zusammenarbeit mit den Nazis. Nur am Rande hätten Ideologien eine Rolle gespielt; in erster Linie sei es um „Stromkreise“ und „Anschlußstellen“ gegangen, die der Künstler sucht, um weiterarbeiten zu können. Theweleit unterscheidet dabei Künstler wie Breker, die an den Hof der Nazis geholt wurden, von denen, die, wie Benn, zeitweilig versucht hatten, sich den Nazis an den Hals zu werfen.

Was beim Selberlesen klasse ist, ermüdete leider im Vortrag, der notwendigerweise die tausend Fußnoten und Bilder, mit denen Theweleit so gerne arbeitet, außer acht lassen mußte. Ein Gespräch fand nicht statt. Theweleit las vor. Heiner Müller erzählte Anekdoten und Witze. Von dem amerikanischen Panzer in Ost-Berlin, aus dem ein Russe stieg. Der sagte: „Nix Befreiung – Fasching.“ Oder von Fröschen. Wenn man sie in heißes Wasser wirft, springen sie gleich wieder raus. Wenn man sie in lauwarmes Wasser wirft und die Temparatur allmählich erhöht, sterben sie mit Wohlgefühlen. So ähnlich sei's im Westen.

Müller wirkt inzwischen sehr filigran und vergeistigt. Wie soll man sagen. Man wollte die Unhöflichen, die immer wieder darum baten, er möge lauter reden, zurechtweisen. Vor ein paar Wochen hatte Müller Jewtuschenko abgeküßt. Diesmal umarmte er den rotwangigen Theweleit für ein paar schöne Sätze über Nietzsche. So soll es sein. Detlef Kuhlbrodt

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