piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Die Enttäuschung des Täters: Gerald Kargls Film "Angst"

Das Opfer stirbt an Herzversagen Foto: Verleih

In einer Zeit, in der das Genre der Gewaltfilme im Grinse- Yuppietum zu verenden droht, lohnt es sich, noch einmal Altes anzugucken. „Angst“, das Regiedebüt des österreichischen Filmfreundes Gerald Kargl, entstand in einer Zeit, als Serienmörder noch nicht salonfähig waren. Kargl arbeitet zwar mit den klassischen Elementen psychedelischer Horrorfilme – Sphärenmusik von Klaus Schulze, einer tollen Kamera, die zwischen unbewegten Totalen (Blicke über die Dächer der Stadt) und sehr nahem, dokumentarischem Blick auf die Protagonisten (manchmal sieht man nur noch Münder oder Augen) kaum was kennt; blutrünstige Gewaltorgien bleiben aus. Als beiläufiges Zugeständnis ans große Publikum kriegt der Killer auch noch eine tragische Kindheitsgeschichte verpaßt.

Ein junger Triebtäter (Erwin Leder) wird aus dem Gefängnis entlassen und macht sich sogleich auf, in einer tristen österreichischen Stadt neue Opfer zu finden. Linear wird ein Tag im Leben des Unholds erzählt. Vom Aufbruch aus dem Gefängnis über verschiedene Mordphantasien, einen dreifachen Mord, bis zur neuen Verhaftung. Der Film übernimmt die Perspektive des Täters. Der monologisiert ununterbrochen über seine Lust am Quälen und Töten. Vom Seelenleben oder der Geschichte seiner Opfer erfährt man nichts. Eigentlich ist das unmöglich; nicht so sehr moralisch, sondern vor allem ästhetisch, denn Täter können nicht erzählen. In „Angst“ funktioniert es nur, weil der Täter gleichzeitig Getriebener ist. So, wie er seine Opfer verfolgt, folgt ihm die wacklige Handkamera durch den Wald und zitiert dabei unzählige andere Horrorfilme.

„Angst“ erzählt also (ein bißchen wie Musil in der Literatur) von der Angst und der Enttäuschung des Täters, dem die sadistischen Szenarien, die er sich bei seinen Mördereien vornimmt, allesamt mißlingen. Anstatt stundenlang zu leiden, sterben seine Opfer an Herzversagen. Am Ende verbündet sich der Täter mit seinen Opfern. Nachdem er in einem Haus am Rande der Stadt Mutter, Tochter und den behinderten Sohn niedergemacht hat, fährt er mit der Leichenfamilie spazieren. Bei seiner aufgeregten Suche nach neuen Opfern wird er dann von tumben Polizisten gestellt. Detlef Kuhlbrodt

„Angst“ (Regie: Gerald Kargl, Österreich 1983), Kinos Balázs, Eiszeit. Termine und Adressen siehe cinemataz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen