Über Rassismus wurde noch lange nicht genug geredet Von Andrea Böhm

Mit einigem Erstaunen haben in den letzten Wochen viele Weiße in den USA zur Kenntnis nehmen müssen, daß ihre schwarzen Mitbürger nicht der Meinung sind, die Sache mit dem Rassismus habe sich zu aller Zufriedenheit erledigt. So mancher Anglo in seiner schneeweißen Suburb schüttelte irritiert den Kopf, hatte er sich doch gerade die Autobiographie von Colin Powell gekauft und vor geistigem Auge ausgemalt, wie es wohl sei, im nächsten Jahr zum ersten Mal einem Schwarzen die Stimme bei den Präsidentschaftswahlen zu geben.

Doch im Zuge der Meinungsverschiedenheiten über den Simpson-Prozeß und den „Million Men March“ Louis Farrakhans auf Washington ist das Thema Hautfarbe wieder in den Mittelpunkt der Medien geraten – und sogar der Präsident sah sich zu der Feststellung veranlaßt, daß zwischen Anglo- und Afroamerikanern doch noch einiges zu bereden ist. Allerdings verlangen erstere oft, daß sich die Schwarzen (als handele es sich hierbei um eine homogene Kleinfamilie) zuerst einmal von Louis Farrakhan, dem antisemitischen Führer der „Nation of Islam“, distanzieren, der sich mit pathologischer Grandezza derzeit als Retter aller Schwarzen aufspielt. Nun hegen viele Schwarze nicht die geringste Sympathie für den Islamisten Farrakhan.

Andererseits möchten sie sich nicht ständig für jeden seiner antisemitischen oder homophobischen Verbalauswürfe entschuldigen müssen, nur weil sie auch Schwarze sind. Andersherum kämen dann auch die Weißen aus dem Verfassen von Distanzierungs- und Entschuldigungserklärungen gar nicht mehr heraus. Dafür würde schon allein Jesse Helms, das erzreaktionäre Fossil der Republikaner aus dem US-Senat, sorgen.

In einem seiner jüngsten Auftritte, als Gast der CNN-Telefon- Talk-Show „Larry King Live“, gab der Senator wieder eine Kostprobe seiner Geisteshaltung, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen (zu Ehrenrettung Larry Kings sei angemerkt: Er saß an diesem Abend nicht auf dem Moderatorenstuhl, sondern ließ sich durch Robert Novak, einen rechten Fernseh- und Zeitungskommentator vertreten). Gegen Mitte der Sendung nahm Novak einen Anruf aus Alabama entgegen: Anrufer: „Mister Helms, es mag ja politisch nicht korrekt sein, aber ich finde, Sie sollten den Friedensnobelpreis dafür kriegen, daß Sie die Nigger so gut am Boden gehalten haben.“

Helms: „Danke schön, denk' ich.“

Novak (verlegen): „Ha, ha, ha...“

Helms (verlegen): „Ha, ha, ha...“

Novak: „Das war ein böses Wort. Das war politisch inkorrekt. Diese Sprache heißen wir nicht gut, oder?“

Helms: „Nein. Aber Mark Twain hat sie benutzt...“

Die Quintessenz dieses Dialogs zur besten Sendezeit: Mark Twain schrieb politisch-inkorrekte Bücher. Politisch korrekt ist es hingegen, Schwarze am Boden zu halten, solange man sie nicht „Nigger“ nennt. Eine wertvolle Lektion für den Anrufer aus Alabama. Und da behaupte noch mal einer, daß Fernsehen nicht bildet.

Distanzierungen oder Entschuldigungen gab es übrigens keine – weder von Journalistenkollegen Novaks noch von seiten irgendwelcher Senatskollegen von Jesse Helms.