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Metro und Kirch online

Metro-König Otto Beisheim steht vor dem Einstieg bei Netzdienstleister Europe Online. Eine weitere Allianz von Beisheim mit Spriner-Eigner Kirch und Verleger Burda zeichnet sich ab  ■ Von Erbil Kurt

Berlin (taz) – Es ereignete sich in der 34. Woche dieses Kalenderjahres, als Metro-Eigentümer Otto Beisheim im Großherzogtum Luxemburg eingetroffen war. Der milliardenschwere „Mann ohne Gesicht“ war persönlich angereist, um sich über die Modalitäten eines Einstiegs beim neuen Netz-Dienstleister „Europe Online“ (EO) zu erkundigen. Ein erstes Abtasten, die ersten Fragen. Der geheimnisumwitterte reichste Mann der Schweiz hatte an diesen Tagen sein erstes Interesse an dem neuen elektronischen Service bekundet, und auf der Gegenseite fand dies positive Resonanz.

Doch wer ist dieser sagenumwobene Beisheim? Der 72jährige Margen-Künstler Beisheim aus dem Schweizer Steuerparadies dirigiert ein illustres Imperium aus Warenhäusern (Kaufhof, Horten), Reiseunternehmen (ITS, LTU, TUI), Verbraucher- und Supermärkten (Asko, Massa, Huma, BLV, Meister, divi, Basar, coop), Computershops (Vobis), Schuhläden (Reno), Baumärkten (Praktiker), Textilhallen (Adler), Versandunternehmen (Oppermann, Wenz), Unterhaltungselektronikgeschäften (Media-Markt, Saturn) sowie eine Beteiligung am deutschen TV-Sender „Kabel1“ (Tefi Handels AG = 45 Prozent). Seit gut sechs Jahren gehört auch ein gewichtiger Anbieter von Fernsehprogrammrechten, die MH Medien-Handels AG aus Zug, zu Beisheims Gemischtwarenladen.

Man hätte den Stein plumpsen hören können, der den an EO beteiligten europäischen Großverlagen Burda, Springer, Pearson (Financial Times), Matra Hachette, den Netzbetreibern Vebacom und AT&T sowie Ex-Bundesminister Schwarz-Schilling vom Herzen gefallen war. Was bislang nämlich fehlte, war der Vertrieb des neuen Dienstleistungsangebots, der direkte Kontakt zum Handel. Diese Lücke wäre nun mit einem Schlag geschlossen. Am 11. September trafen sie sich erneut mit zwei Beisheim-Vertretern, die ihnen darlegten, daß Beisheim mehr als 30 Prozent der Anteile erwerben will, eine endgültige Entscheidung aber erst im Laufe des Oktobers erfolgen soll. Anschließend trafen sich EO-Gesellschafter und Beisheim- Vertraute in Begleitung des Verlegers Hubert Burda bei den für eventuelle Genehmigungen zuständigen hohen luxemburgischen Regierungsbeamten, um die Geschäftsabsicht zu unterstreichen.

Ein Einstieg bei EO bedeutet auch für den versierten Handelskaufmann Beisheim Neuland. Im Kern geht es ihm immer um die Kontrolle der Beziehung zum Verbraucher. Beinahe jeder zweite PC in Deutschland wird bei Vobis verkauft, und seine Kaufpaläste könnten sofort den direkten Vertrieb für EO übernehmen. Doch woher nimmt Beisheim die Zuversicht, daß Europe Online ein begehrter Artikel wird?

Eine Antwort könnte mit Filmhändler und Springer-Teilhaber Leo Kirch zusammenhängen. Verglichen mit Beisheims 80 Milliarden-Umsatz-Reich ist Kirch ein kleiner Spezialgrossist. Aber die Allianz zwischen dem Einkaufskrösus und dem Filmhändler hat Beisheim schon jetzt eine zentrale Rolle im Wachstumsmarkt Medien beschert und eröffnet die Option auf dicke Prozente bei der weiteren Elektronifizierung der Gesellschaft. Vor reichlich fünf Jahren gelang der MH Medien-Handels AG des Schweizer Milliardärs ein Millionenkunststück ohne viel Anstrengung und Risiko. Ein Paket aus 2.500 Filmen und Serien, das die Beisheim-Firma Ende 1989 Filmhändler Kirch für rund 530 Millionen Mark abgekauft hatte, wurde sie zum dreifachen Preis wieder los – bei Sat.1 und Pro7.

Der spektakuläre Deal hat Beisheim damals die neue Qualität des Händlerfernsehens aufgezeigt. „Und“, so ein Medienkritiker, „ohne die Millionen-Injektionen wäre Kirch kaum in der Lage gewesen, seine Bankschulden zu bedienen und die Übernahme von Springer durchzusetzen.“

Jetzt steht Leo Kirch wieder vor zwei richtungsweisenden Entscheidungen und bedarf der Unterstützung. Zum einen will er die digitale TV-Zukunft im kommenden Frühjahr starten, zum anderen braucht er Programmressourcen, einen Online-Dienst für seine digitale Set-Top-Box und mehr als eine Milliarde Mark, um die bei dem Unterhaltungskonzern Nokia schon bestellten Decoder („d-box“) zu bezahlen.

Ein Einstieg von Beisheim bei EO unterstützt Kirch und erlaubt dem ungleichen Duo eventuell, die Kontrolle über den neuen Online- Dienst zu gewinnen. Verleger Hubert Burda weiß Kirch als strategischen Partner bereits auf seiner Seite, den Springer Verlag kontrolliert er, und mit dem Netzbetreiber Vebacom verhandelt er über die digitale Fernsehzukunft.

Beisheim und Kirch geht es im Kern immer um die totale Kontrolle, um den Medienverbund. Warum sollte Kaufhauskönig Beisheim jährlich riesige Summen für Werbung ausgeben, wenn sie in den Kassen eigener Verbundfirmen bleiben können? Zudem ergeben sich durch die künftige Online-Vernetzung zusätzliche neue Vertriebswege für seine anderen Produkte. Medienrechtlich ist dieser Verbund zunächst völlig legal. Bleibt nur abzuwarten, ob Juristen, Publizisten, Wissenschaftler und Politiker sich ernsthaft mit der Machtkonzentration beschäftigen werden.

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