: Urteil gegen Chefspion aufgehoben
■ Der Bundesgerichtshof läßt den Prozeß gegen Markus Wolf neu aufrollen. Spionagevorwurf kommt nicht in Frage
Karlsruhe (dpa) – Der Prozeß gegen den früheren DDR-Spionagechef Markus Wolf muß neu aufgerollt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob gestern die Verurteilung Wolfs durch das Oberlandesgericht Düsseldorf vom Dezember 1993 zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe wegen Landesverrats und Bestechung auf. Die Aufhebung sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Straffreiheit von DDR-Agenten geboten. Damit gab das Gericht der Revision Wolfs statt und verwies die Sache zur kompletten Neuverhandlung an das Oberlandesgerichtes in Düsseldorf zurück.
Eine Verurteilung Wolfs wegen Landesverrats oder Spionage sei nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts ausgeschlossen, wenn er ausschließlich vom Boden der DDR aus agiert habe, begründete der Vorsitzende des 3. BGH- Strafsenats, Klaus Kutzer, die Entscheidung. Strafbar wegen Spionage sei Wolf nur, wenn er sie in Staaten betrieben habe, in denen er mit einer Auslieferung an die Bundesrepublik rechnen mußte oder in denen seine Agententätigkeit strafbar war. Auch in diesem Fall müssen nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts „besondere Milderungsgründe“ berücksichtigt werden, die unter Umständen sogar zur Einstellung des Verfahrens führen können.
Auch die Verurteilung von Wolf wegen Bestechung in sieben Fällen wurde aufgehoben. Zwar sei diese Straftat als „Begleitdelikt“ der Spionage auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts strafbar. Allerdings habe das Oberlandesgericht fehlerhaft angenommen, es habe sich nur um eine fortgesetzte und darum nicht verjährte Bestechung gehandelt. Diese Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung sei durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgegeben worden. Deshalb müsse in der Neuverhandlung für jede einzelne Bestechung geprüft werden, ob die Verjährung bereits eingetreten ist. Ob Wolf noch wegen sogenannter Alttaten wie Entführung, Freiheitsberaubung oder Nötigung wie im Fall des früheren Berliner Senators Lummer bestraft werden kann, hänge davon ab, ob diese Taten gesondert angeklagt werden und ob auch diese inzwischen verjährt sind.
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