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Die Revolution im Häusle

■ Schwäbisch, mittelständisch und HipHop: Thomas D. von den Fantastischen Vier über weiße Jungs, die schwarze Soul-Musik zu nettem deutschen Pop verarbeiten

taz: Der Song „Die da“ hat die Fantastischen Vier MTV-tauglich und selbst international berühmt gemacht – dabei ging es um nicht mehr als eine dumme Anmachgeschichte unter Jungen.

Thomas D.: Genau. Das Stück hat unseren Freundeskreis gespalten. Aber was ist dagegen einzuwenden, daß ein Stück unterhaltsam ist und Spaß macht? „Die da“ beruht auf einer wahren Geschichte. Wir haben uns vielleicht wie Obermachos benommen, aber eigentlich hat uns diese Frau verarscht. Das war gar nicht witzig, denn ihr Freund wollte Smudo zusammenschlagen. Zum Schluß gab es noch eine Verfolgungsjagd mit dem Auto durch Stuttgart.

Fast eine Provinzposse. Sie sind innerhalb von drei Jahren von Lokalgrößen zu nationalen Stars aufgestiegen. Was hat sich dadurch verändert?

Die Popularität gibt einem ein zweites Gesicht. Selbst Freunde lesen etwas über dich in der Zeitung, und wissen nicht genau, ob es stimmt. Außerdem hat sich unser Umgang mit Arbeit und mit Geld verändert. Früher haben unsere Eltern gesagt: Macht etwas Sicheres! Wir haben gemerkt, daß wir mit dem, was wir machen, Geld verdienen. Unsere Sicherheit besteht darin, daß wir etwas können, und daß wir es gern machen.

Wie viele Eigentumswohnungen besitzen Sie?

Erst zwei.

Und Herrn Graf als Vorbild?

In solchen Höhen leben wir nicht.

Die HipHop-Gemeinde hat Sie trotzdem als Kommerz ausgeschlossen – und jetzt doch wieder aufgenommen.

Es scheint so. Aber ich bin nicht so dicht an dieser Szene dran. Man hält zu stark an einem amerikanischen Vorbild fest, das hier gar nicht gelebt werden kann. Es geht um die Street Credibility, um HipHop als Musik und Stimme der unterdrückten Schwarzen, die kein Geld haben. Das Schwarze ist extrem politisch.

Sie aber sind Mittelstandskinder?

Ja, wir sind Mittelstand. Wer in Deutschland Musik macht, ist von vornherein nicht auf der untersten Stufe. Man hat die finanziellen Mittel, ein Instrument zu lernen und sich vielleicht auch eines zu kaufen. Aber sobald Deutsche Musik machen, tun sie so, als wären sie von ganz unten, und fangen an, sich für dies und jenes schuldig zu fühlen. Das Ergebnis ist die Betroffenheitsschiene.

Und Sie?

Wir machen Musik, weil es uns Spaß macht. Für uns heißt Kreativität, die Stilmittel zu übernehmen, die uns am Herzen liegen. Wir sprechen nicht übers Ghetto. Irgendwann gibt es vielleicht einen Song über meinen Ford-Taunus oder über unsere Eigentumswohnungen.

Auf der parallel zu „Lauschgift“ veröffentlichten Spiel-CD- ROM explodiert Ihr Bandfahrzeug ...

... und nun muß der Fan wissen, wem die Brille und wem die Uhr gehört. Wir konnten nicht so viel investieren, wie es die Amerikaner machen. Außerdem ist ein solches Spiel unterhaltender, als wenn der Held durch höllenteure virtuelle Gänge läuft, um in die Garderobe eines Stars zu kommen.

Warum sollte er auch dorthin gelangen?

Bei einer CD-ROM von Bob Dylan erlebt er in der Garderobe ein Extrakonzert.

In der Regel wollen die Fans aber doch körperlichen Kontakt zu ihren Idolen, sei es Händeschütteln, sei es Sex.

Ja, natürlich. Während des „Die da“-Booms wurde mir schlagartig bewußt, wie falsch und unecht das alles ist. Ich war immer noch der gleiche kleine Pupser, der durch das Leben geht und versucht, Spaß zu haben.

Haben die Fantastischen Vier einen Psychiater oder Supervisor, der bei Identitätskrisen hilft?

Leider nicht, wir versuchen es immer selbst. Wir sind viel mehr als Freunde, aber auch nicht wie Ehepartner. Das ist eine Art enger Gemeinschaft, aus der man nicht fliehen kann und aus der wir nicht fliehen wollen.

Wer ist wofür zuständig?

Ich bin der Philosoph und Bauchmensch. Smudo ist der Kopfmensch und Denker. Michi ist Texter, Scratcher und Mitproduzent. Und Andy ist Mastermind und Produzent.

Ein Philosoph als Bauchmensch?

In Deutschland wird der Verstand zu sehr betont. Dabei bringt es einen nicht unbedingt weiter, wenn man das Denken in Gut und Böse aufteilt. Der Buddhismus zeigt Wege, wie man über das Nichtdenken, über das bewußte Erfahren des Jetzt zu einem richtigen Leben kommt. Ich liebe Religionen nicht, aber das ist meine Lieblingsreligion. Das größte Problem haben wir mit der Liebe. Wenn sich der Verstand einschaltet, kommt dieses „Whow, ich hab' ein unglaublich gutes Gefühl. Das will ich behalten.“ Dadurch entstehen Ansprüche. Man ist nicht mehr fähig, das Gefühl einfach kommen zu lassen.

Leben Sie in einer festen Liebesbeziehung?

Das habe ich vor einer Weile abgelegt. Ich habe gemerkt, daß ich mich verkrampfe, wenn ich mein Glück von einer Person abhängig mache. Wenn ich in einer anderen Stadt bin, will ich nicht, daß daheim mein Mädel sitzt und sich in ihrem Leben einschränkt, weil sie denkt: Irgendwo da draußen ist mein Mann, ich will mich nicht mit anderen Leuten treffen. Wenn man sich mit jemandem versteht und gut reden kann, stört das keinen. Das ist wunderbar, denn Freunde braucht jeder. Aber sobald es ums Poppen geht, sagt jeder: „Halt, ich bin betrogen worden“, und fühlt sich verletzt. Das ist eindeutig das Ego, das ich nicht akzeptieren kann. Ich bin mir bewußt, daß ich in einer monogamen Beziehung nicht glücklich würde.

Werden Sie eifersüchtig?

Ja, ich bin auch eifersüchtig.

Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Das beweist, daß wir alle so konditioniert wurden.

Im Moment läuft in den USA die konservative Kampagne „Erst nach der Ehe“, die auch hier auf Zustimmung stößt.

Die sexuelle Freiheit in den Siebzigern war toll, aber sie konnte nicht gelebt werden. Die Hippies haben irgendwann aufgehört und gesagt: Nee, ich bin nicht stark genug. Heute sind die Leute verklemmter denn je. Die meisten haben Angst vor Verletzungen.

Wieviel von Ihren Auftritten ist improvisiert?

Das meiste ist wie auf der Platte. Aber hin und wieder erlauben wir uns kleine Spielereien. Wenn wir heute „Die da“ spielen, frage ich Smudo in der ersten Strophe nicht „Hast du sie ausgeführt?“, sondern: „Hast du ihn eingeführt?“ Kleinigkeiten, die Spaß machen.

Aber wirklich frei improvisieren Sie nicht?

Nein, auch beim Free Style gibt es Strickmuster. Meist stellt man sich dabei selbst vor. „Ich bin der Thomas D., und ich nehm' keinen Schnee. Ich rauch' mal gerne einen, doch drücken tu' ich keinen, es freut mich, wenn ich euch seh', denn ich bin Thomas D.“

Ein ehrliches Bekenntnis?

Ja, durchaus. Ich habe keine Lust auf Kokain, Heroin, harte Drogen. Das ist nicht mein Stil.

Zurück zur Musik und deren Vermarktbarkeit: Es wird eine Zeit nach der CD geben.

Klar. Du hast deinen Computer, tippst ein, was du hören willst, und dann werden dir die Daten in einen Chip oder Festspeicher überspielt. Das heißt, die Plattenfirmen machen mit dem Tonträgerverkauf kein Geld, sondern mit den Lizenzen und der Hardware.

Macht Sie dieser Ausblick glücklich?

Information ist das Gut der Zukunft. Wenn wir den Fortschritt nutzen, bringt uns das weltweit zu der Erkenntnis, daß alle im selben Boot sitzen und am gleichen Strang ziehen sollten. Ich glaube nicht, daß sich jeder seinen Cyberspace-Helm aufsetzt und niemand mehr aus dem Haus geht. Menschliche Nähe und Tiefe läßt sich mit keinem Computer erzeugen. Deshalb habe ich keine Angst vor der Entwicklung. Nur der LP weine ich ein bißchen nach.

Die braucht man zum Scratchen.

Eben. Der Scratch-Computer ist noch nicht erfunden. Interview: Werner Stiefele

Die Fantastischen Vier: Lauschgift (Vielklang / Sony)

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