: Sprung ins kalte Wasser
■ In der Hektik der Anfangsphase vergessen Existenzgründer oft den Abschluß von Versicherungen. Krankheit ohne Versicherung bedeutet den finanziellen Ruin
Die junge Werbegrafikerin blickt sich zufrieden in dem strahlend weiß gestrichenen Zimmer um: Dahin kommt der Montagetisch, überlegt sie, dorthin Schreibtisch und Computer. In Gedanken sind die Möbel schon da, so wie die vielen Kunden, die hier künftig Schlange stehen sollen. Dafür schließlich hat sich die bisherige Mitarbeiterin einer ideenlosen Agentur selbständig gemacht. Es kann losgehen. In diesem Moment ausgerechnet über Versicherungen nachzudenken, widerspricht nach Ansicht vieler dem Tatendrang, dem nun freier Lauf gelassen werden soll. Vielen Existenzgründern fehlt nach eigener Einschätzung auch schlicht die Zeit, sich auch noch mit Versicherungen herumzuschlagen. Und es ist ja gerade die Freiheit, die Selbständigkeit so attraktiv macht – zum Beispiel auf eine Krankenversicherung zu verzichten. Davor jedoch warnt ausdrücklich das niedersächsische Frauenministerium in seiner Broschüre „Frauen gründen Unternehmen“: „Von dieser Möglichkeit raten wir dringend ab. Eine längere Krankheit oder gar ein Krankenhausaufenthalt können Sie finanziell ruinieren.“
Die Existenzgründerin, die der Agentur gekündigt hat, war über diese als Arbeitnehmerin pflichtversichert; sie kann sich daher bei ihrer Kasse freiwillig weiterversichern lassen. 24 Monate in den letzten 5 Jahren oder das letzte Jahr durchgehend muß die Mitgliedschaft gedauert haben, dann kann die Versicherung weitergeführt werden. Anderenfalls besteht ausschließlich die Möglichkeit der Privatversicherung, was zunächst billiger, später aber problematisch sein kann (s. Bericht S.24). Diese bieten „die klassische Krankheitskostenvollversicherung“ an, wie es Wolfgang Gersenhöfer von der Deutschen Krankenversicherung AG (DKV) in Köln nennt. Damit werden vor allem Kosten für Arztbesuche sowie für ambulante und stationäre Behandlungen gedeckt.
Daneben ist für Selbständige eine Krankentagegeldversicherung interessant, als Absicherung des Verdienstausfalls. Kann die Grafikerin wegen ihrer Erkrankung also keine Illustrationen verkaufen, zahlt ihr die Versicherung das übliche Einkommen. Soll das bereits beim ersten Krankheitstag passieren, erläutert Gerstenhöfer, seien die Beiträge erheblich höher als wenn die Zahlung erst am achten Tag beginnt. „Viele wünschen sich eine individuelle Kombination“, so der DKV-Sprecher: „In der ersten Woche wollen sie noch nichts, zahlen also geringeren Beitrag, in der zweiten Woche 100 Mark pro Tag, und erst wenn sie länger krank sind, lassen sie sich das volle Einkommen erstatten.“
Nicht speziell für Selbständige, aber eben auch für diese, ist die Krankenhaus-Tagegeld-Versicherung: Diese kommt für spezielle Aufwendungen auf, die der Krankenhausaufenthalt erforderlich macht. Dazu kann zum Beispiel die Haushaltshilfe gehören. Die vierte zentrale Versicherungsart, die die Krankenversicherungen anbieten, ist die Pflegeversicherung, die 1994 nach zwei Jahrzehnten Diskussion eingeführt wurde. Wer krankenversichert ist, muß sich auch pflegeversichern lassen. Die Leistungen der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherungen sind identisch. Allgemeingültige Tips, welche Versicherungen Existenzgründer abschließen sollten, gebe es nicht, so Peter Lange von der Industrie- und Handelskammer Berlin. Wichtig sei es, sich vor allem gegen die aufgrund der persönlichen Situation wahrscheinlicheren Risiken abzusichern. So brauchen Angestellte beispielsweise keine private Unfallversicherung, da sie bereits gesetzlich versichert sind. Gerade Selbständige, die eine Familie versorgen, können diese aber damit im Todesfall finanziell absichern.
Viele wollen aber vor allem ihren eigenen Lebensstandard von Widrigkeiten so unabhängig wie möglich wissen, besonders im Alter. Dazu können Selbständige, die sich nicht aufgrund ihrer Berufsgruppe ohnehin versichern müssen, freiwillig „Pflichtmitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung“ werden. Dann müssen sie einen festen Anteil ihres Einkommens aufbringen, haben dafür später Anspruch auf eine reguläre Rente. Selbständige können aber auch „Freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung“ werden: Die Beiträge sind dann flexibler, dafür können auch nicht alle Leistungen in Anspruch genommen werden. In beiden Fällen aber warnt die Stiftung Warentest: „Für den Fall der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit ist der einzelne durch die gesetzliche Rentenversicherung kaum gerüstet.“ Gerade für Selbständige und Freiberufler seien daher private Berufsunfähigkeitsversicherungen „fast ein Muß“. Und sowohl die Berliner Stiftung als auch das Frauenministerium in Hannover raten zudem zu einer Betriebshaftpflicht, bei freien Berufen zu einer Berufshaftpflicht. Abgedeckt werden Schäden, die durch den Betrieb und dessen Mitarbeiter oder durch den Freiberufler entstehen. Daß die Meinungen, wer hier wem geschadet hat, mitunter erheblich voneinander abweichen, kann für Selbständige von existentieller Bedeutung sein. Wer dafür gerüstet und sich seines juristischen Beistands stets sicher sein möchte, kann dazu eine Berufsrechtsschutzversicherung abschließen. Christian Arns
Weitere Infos: Broschüre „Starthilfe“ des Bundesministeriums für Wirtschaft, 1994
Stiftung Warentest, Ratgeber Geld: „Rundum gut versichert“, 1995
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