: Gimme five!
■ Grüne Frauen entdecken den Charme des Negers und seiner Grußrituale
Auf obenstehendem Berliner Wahlplakat sehen Sie zwei Frauen, eine junge und eine ältere. Die junge Frau trägt einen kurzen Glockenrock sowie festes Schuhwerk und ziemlich dicke Socken. Am Handgelenk hat sie neben ihrer Armbanduhr ein Freundschaftsbändchen o. ä. Die ältere Frau trägt einen bunten Rock, eine Maurerjacke und dünne chinesische Stoffschuhe. Sie hat keine Strümpfe an und das Freundschaftsbändchen o. ä. ihrerseits am Knöchel befestigt.
Die beiden Frauen berühren sich mit ihren rechten Händen in der Luft. Was will uns diese Geste sagen? Tanz? Wohl kaum. Über den Frauen steht geschrieben „kämpfen“ und „Mit Macht“, unter ihnen steht „Der Wechsel ist fällig“. Die Frauen kämpfen also um einen fälligen Wechsel, entweder mit Macht oder mit der Macht. Die Geste ist eine kämpferische.
Aber eigentlich ist diese Geste eine Begrüßungsgeste. Eine männliche Begrüßungsgeste. Eine Prolo-Macho-Negermann-Begrüßungsgeste: „Gimme five“. Warum übernehmen die beiden Frauen eine Prolo-Macho-Negermann-Begrüßungsgeste, um ihren Kampfeswillen zu besiegeln? Und warum strahlen sie dabei so? Vielleicht denken sie, das wirkt schön multikulturell. Vielleicht denken sie aber auch, das ist feministisch – woman is bekanntlich the nigger of the world. Und weil sie als Frauen eben Unterdrückte sind, besiegeln sie ihren Willen folgerichtig mit einer Geste, die sie sich bei anderen Unterdrückten abgeschaut haben.
Fassen wir zusammen. Die Frauen wollen also sagen: Sie haben nichts zu verlieren, und das generationenübergreifend; ihre Geste vereint sie mit allen anderen Unterdrückten dieser Erde, denn diese Geste kommt von ganz, ganz unten. Ein Händeschütteln würde sturzbürgerlich wirken. Man könnte denken, die beiden hätten vielleicht doch etwas zu verlieren. Auch deshalb tragen sie die Maurerjacke und das schlichte Streetgirl-Outfit.
Aber überall hinkommen werden sie – entgegen der Behauptung am rechten Bildrand – wohl doch nicht. Die ältere Frau wird mit ihren Stoffschuhen schon an der ersten Pfütze scheitern. Und die jüngere wird sich im Gestrüpp recht ordentlich die nackten Waden zerkratzen. Barbara Häusler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen