■ Press-Schlag: Input-Output-Axiom
Nach wie vor ist die Bundesliga auf Remis-Rekordkurs. Die Liebe zum Unentschieden liegt an der Dreipunkteregel. Unlogisch? Nein, konsequent. Denn die Gefahr, daß ein Gegner unverschämterweise drei statt zwei Punkte für einen Sieg zugebucht bekommt, ist viel zu groß. Also lieber doppelt aufpassen: Es könnte ja ein Mitkonkurrent gegen den Abstieg sein oder um die Meisterschaft.
Vielleicht auch ein Mitbewerber um die Teilnahme im UEFA-Cup. Internationaler Fußball! Ein Ziel, das ein Dutzend Clubs vor der Saison als Ziel vorgibt. Klangvolle Gegner, internationale Stars, lukrativer Extra-Thrill! Tolle Stimmung, volle Stadien! Von wegen.
Ach, Europa! Kaiserslautern gegen Sevilla — das Stadion halb leer. Dito Bremen gegen Minsk und noch schlimmer Bayern gegen Moskau. Ebenso Gladbach gegen Athen: Borussia endlich wieder „in Europa“ dabei und dann: leere Ränge. Aber kaum ist wieder Bundesliga, drängeln sich die Menschen. Vollgepackter Bökelberg gestern abend gegen Bremen; und sogar auf dem Betzenberg, nachdem sie am Mittwoch noch ihre Kicker in nicht bekannter Strenge verhöhnt und zum Teufel gewünscht hatten.
Warum die Fans keine drei Punkte für den Gegner höher schätzen als verhinderte Auswärtsdoppelzähltore, wissen wir auch nicht. Eine Aufgabe für Egidius Braun, den wiedergewählten 100-Prozent-Präsidenten des DFB. Der hatte, ganz Pater Braun, erneut davon gepredigt, er wolle „im sozialen und gesellschaftspolitischen Bereich“ (1. Buch Braunae, Vers 13, 4) wirken, und da speziell, o Ballaballa, „Antworten auf Fragen der Gesellschaft geben“ (2. BB, 4,2). Also, Egidius: Hineinleuchten in die Fanseele und gesellschaftspolitisches Fernbleiben deuten! Macht der Gewohnheit? Stiller EU-Protest? Deutschtümelei? Fremdenhaß gar? „Das ist“, lateinelte der frühere Kartoffelkönig aus Aachen, „terra utopia“ (3. BB, 2,5).
Ob vielleicht der grundsympathische Matthias Sammer — sehr menschelnd inszenierter, sprechblasenfreier Auftritt im „Aktuellen Sportstudio“ — eine Antwort auf die Fanfrage wüßte? Ähnlich möglicherweise seinem fußballerischen Input-Output-Axiom: „Je mehr man in sich hineinhört, desto mehr kann man herausholen.“
Fragen wir Franz Beckenbauer, die höchste deutsche Leder-Instanz. Er postulierte sogar eine geschlechtsspezifische Fortpfanzungstheorie: „Frauen vermehren sich im Fußball.“ Bitte? Wie das? Miteinander? Ganz ohne Kerle? Und warum im Ball? Luftuterale Lebenswerdung? Droht so die erste Fußballkaiserin? Entwarnung: Franz meinte nicht Fans, nicht Kickerinnen, sondern Frau Hannelore Ratzeburg, das erste weibliche DFB-Präsidiumsmitglied. -müll-
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