: Gewoba-Verkauf ist ein Flop
■ Banken wollen Verkauf der Gewoba-Aktien an Mieter nicht mitmachen: Sparkassen-Chef über die Scherf/Nölle-Chefsache: „geradezu blödsinnig“
„Bremen wird“, so steht es in den Koalitionsvereinbarungen zwischen SPD und CDU, „gemeinsam mit den übrigen gegenwärtigen Gesellschaftern die Gewoba in eine Aktiengesellschaft mit dem Ziel umwandeln, teilweise Eigentum in Mieterhand zu schaffen.“ 49,9 Prozent der Aktien sollen an der Börse eingeführt werden, heißt es weiter. In einem Pressegespräch hat Finanzsenator Ulrich Nölle noch am 10.Oktober angekündigt, er wolle Erlöse aus dem Gewoba-Verkauf als Einnahmen für den Haushalt 1997 verbuchen.
Der Ökonom und Aufsichtsrat Prof. Rudolf Hickel hat in einem Papier für den Betriebsrat die Frage aufgeworfen, wie denn das gemeint gewesen sein könnte angesichts der Tatsache, daß Banken 25,7 Prozent der Anteile und damit eine Sperrminorität besitzen. Haben die Koalitionäre beschlossen, knapp die Hälfte ihrer staatlich gehaltenen 74,3 Prozent der Anteile an die Börse zu geben, also gut 37 Prozent des Kapitals – zusätzlich zu den bereits in Bankenhand befindlichen Anteilen? Oder sind bei den genannten „49,9 Prozent“ die Banken-Anteile mit gemeint, haben die Koalitionspartner für die Banken mit beschlossen, daß die ihre Anteile in Mieterhand geben?
Das „ist noch nicht konkretisiert worden“, sagt der baupolitische Sprecher der SPD, Carlo Schreiber. Bei der CDU ist ebensowenig zur Erklärung des Gewoba-Pasus der Koalitionsvereinbarung zu erfahren: „Das wird erst 1997 realisiert“, sagt der persönliche Referent des Bausenators. Sind die Banken vor der Formulierung der Koalitionsvereinbarung gefragt worden? „Da gibt es Gespräche.“
Dieter Focke, baupolitischer Sprecher der CDU und Aufsichtsrat der Gewoba, erinnert sich: In der Arbeitsgruppe Wohnungsbau der Koalition war das überhaupt nicht Thema, es war „Chefsache“ unter vier Augen zwischen Nölle und Scherf. Seitdem hat Focke nichts mehr gehört. Wie es weitergehen soll in der Sache? „Die müssen uns darüber informieren.“
Warum es so still wurde, das wissen vor allem die, die über geschäftliche Dinge öffentlich ungern reden. Der Gewoba-Vorstand ist über die Koalitionsaussage zur Gewoba und ihren Sinn bisher nicht informiert worden. „Es hat kein Gespräch stattgefunden“, sagt die Gewoba-Sprecherin. Was der Vorstand des Wohnungsbau-Unternehmens von der Idee „Aktien in Mieterhand“ hält, dazu möchte sie vorsichtshalber nicht sagen.
Für die Banken sitzen Hans-Wolf Bedorf (Dt. Hypothekenbank), Axel Weber (Bremer Landesbank) und Dr. Heinrich Frick (Sparkasse) im Aufsichtsrat. Sie haben nicht nur eine Sperrminorität, sie haben zudem einen Vertrag in der Tasche, daß an den Gesellschafterverhältnissen der Gewoba bis 1998 nichts geändert wird. Ohne sie geht nichts. Auch mit den drei Bankern ist bisher nicht das Gespräch gesucht worden, um das zu erläutern, was sie im Juni in der Zeitung über ihre Firmenanteile gelesen haben. Das ist immerhin drei Monate her. Dem Sparkassen-Vorstand Dr. Frick fehlt jedes Verständnis dafür, was Ulrich Nölle, sein ehemaliger Kollege im Sparkassen-Vorstand, da treibt. Gegenüber der taz gab er ein wenig die sonst für Banken übliche Zurückhaltung: „Da sind doch irgendwelche Spinner, die Aktien an Mieter verkaufen wollen. Ich halte es geradezu für blödsinnig, Mietern Aktien zu geben, wenn man eine Kapitalerhöhung erreichen will.“ Mieter, und insbesondere die Sozialmieter der Gewoba, sind in der Mehrzahl nicht gerade solche, die Geld für langfristige Aktien-Spekulationen übrig haben.
Aktien in Mieterhand, davor warnt auch Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat Prof. Hickel, kann nicht das Interesse der Belegschaft der Gewoba sein: Diese Mieter müssen an kurzfristig hoher Rendite interessiert sein. Auch Sparkassen-Vorstand Dr. Frick wirft die Frage auf, woher denn die Rendite kommen soll, die an kleine Aktionäre ausgezahlt werden soll. „Ich weiß überhaupt nicht, wer daran ein Interesse haben kann. Ich weiß nicht, wer über die Sache quatscht.“
CDU-Regierungssprecher Diehl erklärte gestern nachmittag gegenüber der taz, der Bausenator sei „mit den Anteilseignern im Dialog“ über die Koalitionsvereinbarung. Dem Ergebnis dieser Gespräche wolle er nicht vorgreifen. K.W.
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