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Meuterei bei Real

■ Spaniens Meister im Finanzloch

Mit einer „flammenden Rede“ würde er schon wieder Ruhe in die Reihen von Real Madrid bringen und „die Massen der Mitglieder wachrütteln“, prophezeite Präsident Ramón Mendoza noch am Vortag der Delegiertenversammlung des Klubs. Dies gelang ihm zweifelsohne, jedoch anders als geplant: Die Delegierten lehnten den Kassenbericht des Vorstandes ab. Und statt des gewohnten Beifalls schallten Mendoza erstmals in seiner zehnjährigen Amtszeit „Rücktritt! Rücktritt!“-Rufe entgegen. Zu groß war der Unmut über die ständig steigenden Schulden des prestigeträchtigsten Klubs Spaniens, bei dem es im Moment auch sportlich nicht optimal läuft. Ramón Mendoza hofft nun, auf einer erneuten, besser besuchten Versammlung innerhalb eines Monates die Abstimmung doch noch zu gewinnen. Am Sonntag waren nur etwas mehr als die Hälfte der 1.800 Delegierten, die stellvertretend für 67.000 Mitglieder entscheiden, versammelt.

Ramón Calderón – ein enger Verbündeter von Mendozas schärfstem Gegner, des bei den Präsidentschaftswahlen im Februar nur knapp unterlegenen Florentino Pérez – sprach vielen Mitgliedern aus der Seele: „Wir sind es leid! Der Vorstand hat uns eine halbe Million Mark Gewinn versprochen, um uns jetzt fast 2,5 Millionen Mark Verluste für das letzte Geschäftsjahr zu präsentieren.“ Die Schulden Real Madrids belaufen sich insgesamt auf 160 Millionen Mark. Mendoza versuchte vergebens zu beschwichtigen. „1999, wenn die letzte Rate für den Stadionausbau bezahlt ist, ist das Ganze vorbei“, verteidigte er seine Geschäftsführung. Gerade der Stadionausbau mit Ladenpassage, der 80 Millionen Mark kostete und damit doppelt so teuer wie geplant war, ist der Opposition ein Dorn im Auge. Der Klub sei heute nur noch wenig vom Bankrott entfernt, so Oppositionsführer Florentino Pérez.

Das hindert Mendoza allerdings nicht daran, auch für die Zukunft den Weg der außersportlichen Dienstleistungen beschreiten zu wollen. Ein Ausbau der Ladenzeilen auf dem klubeigenen Mehrzweckgelände, der sogenannten Ciudad Deportiva (Sportstadt), ist ein weiteres seiner ehrgeizigen Projekte. Die Stadtverwaltung weigert sich bisher, die nötigen Baugenehmigungen zu erteilen. Mendozas Lösung ist einfach. Geländeabtretungen gegen Schuldenerlaß schlägt er dem Rathaus vor. Die Opposition um Pérez setzt auf ein anderes Rezept: den Verkauf der Ladenzeile. Außerdem soll ein Referendum Mendoza verbieten, den Klub in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. „Wir können nicht erlauben, das Real Madrid endgültig in die Hände einiger weniger fällt“, so Pérez.

Die Lage Real Madrids spitzte sich vergangenen Juli zu, als kurz nach gewonnener Meisterschaft Kassenwart und Vizepräsident Juan Miguel Villar mit seinem sechsköpfigen Mitarbeiterstab aus dem Vorstand ausstieg. Auch Villar, ehemaliger Finanzminister Francos, wollte die defizitäre Ladenzeile abstoßen. Der Vorstand weigerte sich. Dafür hinterließ Villar die Rechnungsbücher ohne Unterschrift und 3,5 Millionen Mark für die aktuelle Saison ohne Bürgschaft. Hätten die verbliebenen Vorstandsmitglieder nicht noch in letzter Minute Bürgen zusammengetrommelt, hätte dies den Zwangsabstieg in die Amateurliga bedeutet.

Mendoza sucht seither nach einem Weg, sich an Villar zu rächen. Als letzte Woche die Erneuerung der Bürgschaft über zwölf Millionen Mark aus dem Vorjahr fällig wurde, sah er seine Chance gekommen. Er bürgte nur für acht Millionen, die restlichen vier Millionen, für die Villar verantwortlich zeichnete, blieben ohne Unterschrift. Der Ligaausschuß steht nun vor einem Problem. Da nur die Gesamtsumme erneuert werden kann, müßte er einen Zahlungsbefehl ausschreiben. Genau darauf setzt Mendoza, denn so würde Villar um vier Millionen Mark erleichtert, die direkt dem Klub zukämen. Später könnte man dann getrost eine neue Bürgschaft über den Gesamtbetrag unterzeichnen. Miguel Villar will jedoch vor Gericht gehen. Gleichzeitig droht der intime Kenner der windigen Geschäfte des Vorstandes: „Wenn der Zahlungsbescheid gegen mich ausgeführt wird, wird so mancher hier im Gefängnis enden.“ Reiner Wandler

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