Gesündere Schicht

■ Bremer Stahlwerke führen kürzere Blöcke ein

7 Tage Früh-, 7 Tage Spät-, 7 Tage Nachtschicht, 10 Tage frei, 7 Tage Früh-, ..- dieser Arbeitsrhythmus macht nach den neuesten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen krank und beeinträchtigt die sozialen Bindungen der Arbeitnehmer. Dieser Schichtwechselplan, der in fast allen bundesdeutschen Stahlbetrieben den Rhythmus der Arbeit diktiert, wird in den Bremer Stahlwerken nun endgültig durch sogenannte kurze Schichtblöcke ersetzt. Vorstand und Betriebsrat der Bremer Stahlwerke haben gestern eine Studie des Institutes für Arbeitsmedizin der Universität Frankfurt präsentiert, die die Auswirkungen der im Januar im Bremer Werk eingeführten kurzer Schichtblöcke auf körperliches Wohlbefinden, Freizeitverhalten und Familiensituation untersucht. Fazit: Es ist gesundheits- und sozialverträglicher, die Schicht nach spätestens drei Tagen zu wechseln und statt eines langen Freizeitblocks öfter mal ein paar Tage frei zu haben.

„In–s Grübeln kamen wir durch den überdurchschnittlich hohen Krankheitsstand in unserem Betrieb. In Bayern beispielsweise sind die Stahlarbeiter deutlich seltener krank als in Bremen. Da stellt sich für uns zwangsläufig auch die Frage nach gesundheitsverträglicheren Schichten,“ erläuterte Arbeitsdirektor und Vorstandsmitglied Hagen Breitinger die Motivation seines Unternehmens. In Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der IG Metall sei im vergangenen Jahr ein innerbetrieblichen Dikussionsprozeß angeschoben worden, der dazu führte, daß Ende 1994 mit knapper Mehrheit die Einführung kurzer Schichtblöcke, zunächst für die Dauer eines Jahres, beschlossen wurde.“Damit haben wir einen neuen Weg der Unternehmenskultur beschlossen, denn ohne Zustimmung durch die Betriebsversammlung hätten wir die Arbeitsumstellung nicht durchgezogen,“ lobte sich Breitinger. „Bei unserem Vorschlag, von 7-Tage-Schichten auf 2 oder 3-Tage-Schichten zu gehen, gab es zunächst tumultartige Szenen in der Betriebsversammlung. Es ist sehr schwer, Akzeptanz für einen veränderten Arbeitsrhythmus zu schaffen, selbst wenn er humaner sein sollte“, so die Einschätzung des Betriebsratmitglieds Michael Breidbach. Doch die Widerstände von einst sind in breite Zustimmung umgeschlagen, das zumindest belegt die wissenschaftliche Begleituntersuchung durch Prof.Dr. Gine Elsner und Diplom-Psychologin Ina Hedden, die im von Juni bis August 1995 insgesamt 769 Beschäftigte im Bereich Hochofen und Stahlwerke zu den Auswirkungen der neuen Schichtpläne befragte. „Die kurzen Schichtblöcke fanden eine außergewöhnlich Zustimmung, selbst bei den Arbeitnehmern, die letztes Jahr der ganzen Sache ablehnend gegenüberstanden“, faßte Ina Hedden die Ergebnisse zusammen.

Besonders eindeutig sei das Votum von Familienvätern und Partnerinnen für die neue Regelung. „Die Kinder sehen ihre Väter jetzt viel häufiger als früher, da waren sie oft über eine Woche überhaupt nicht ansprechbar. Eine enorme Belastung auch für die Mütter, die dann völlig allein mit den Kindern waren“, meinte Ina Hedden. sal