: Vorschlag
■ Die letzte Garagenband der Welt: Dead Moon im Huxley's
Drei noch immer fröhliche Steinzeitratten Foto: Promo
Diese Band ist nicht von dieser Welt oder zumindest nicht aus dieser Zeit. Konsequent lehnen Dead Moon moderne Aufnahmetechniken ab, Overdub schlagen sie im Fremdwörterlexikon nach, und auf Platten prangt dick und stolz das Qualitätsmerkmal „Mono“. Aufgenommen wird im heimischen Wohnzimmer des Ehepaars Cole – so geht die Legende. Tatsache ist jedenfalls, daß Dead Moon, bestehend aus Andrew Loomis und dem Ehepaar Toody und Fred Cole, die letzte echte, real existierende Garagenband der Welt sind – auch wenn die Garage hier mit dem familiären Wohnzimmer vertauscht ist. Erst vor kurzem erklärte man sich bereit, nicht mehr nur ausschließlich auf Vinyl zu veröffentlichen. Aber auch auf CD hört sich jede Dead-Moon-Platte an wie die jeweils letzte Dead-Moon-Platte – und alle sind auf ihre Weise gut. In dieser Welt ist „digital“ ein Schimpfwort.
Seit den Sechzigern spielt Fred Cole dieselben Songs. Als Led Zeppelin gerade anfingen, war er auch schon dabei und trieb ähnliches wie die mit einer Band namens Lollipop Shoppe – jedoch ohne den Ledzepschen Schwenk zur Kunstkacke mitzuvollziehen. Inzwischen ist er als Dead Moon nicht mal mehr ein Dinosaurier, weil er niemals groß genug war, sondern immer nur zu sich selbst hielt. Dead Moon sind eher Steinzeitratten: wiederstandsfähige Überlebenskünstler. Es gibt Gerüchte, Fred Cole hätte so vor ungefähr 20 Jahren mal wirklich gut singen können. Heute läßt sich das nurmehr schwer nachvollziehen, wenn er greint und krächzt und eine symbiotische Einheit mit durchgeknallten Verstärkern und polterndem Schlagzeug eingeht, was zu überaus archaischen Formen von Psychedelik führt.
Weil niemand anderes das tun würde, hat sich Fred Cole eine Hymne auf den Leib geschrieben. In ihr heißt es: „There's a new kid on the block and he's taking my place / Walking on my grave.“ Wenn er diese Zeilen anstimmt, die fettigen Zotteln schüttelt, als wäre es das letzte Mal, dann möchte man ihn in die Arme nehmen, auf die altersschwachen Schultern klopfen und ihm tröstend ins Ohr flüstern: „Rock 'n' Roll will never die.“ Denn manchmal muß man aus Mitleid lügen. Thomas Winkler
Heute, 20 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Neukölln
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen