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■ Liebeswochenende mit einer wahnsinnigen SkorpionfrauEinfach zu alt für Doppel-Loopings

Berlin (taz) –Manchmal gibt es halt Menschen. Da funkt durch die schier endlose Eiswüste in den Supermärkten und überfüllten Bussen etwas anderes als das übliche SOS, und man kann noch nicht mal sagen, warum einem das Herz überlaufen will. Sie gefiel mir halt einfach gut. Und als ich dann noch hörte, daß sie Skorpion war, wußte ich, warum ich mich als Krebs so zur ihr hingezogen fühlte.

Aber dann verlief das Wochenende irgendwie anders als erträumt. Sie holte mich am Bahnhof ab – auf ihren superschnellen Inline-Skateboards. Meine Güte, die Frau ist vierzig, aber so beneidenswert durchtrainiert. Für mich hatte sie auch ein Paar Rollschuhe dabei. Kaum hatte ich mir die Knie- und Ellbogenschützer übergezogen, gab sie mir einen Schubs, und wir brausten davon.

Meine Schreie schien sie als Begeisterung mißzudeuten. Denn statt irgendwie sanft auszurollen, düste sie mit mir die Rolltreppe in die U-Bahn runter. Mit bestimmt 80 Stundenkilometern fegten wir quer über den plattenbelegten Bahnsteig. Daß ich rechtzeitig hätte bremsen müssen, wie Dörthe mir vorwurfsvoll sagte, wußte ich hinterher auch. Es ist ja kein Beinbruch, sagte der Notarzt lachend, als er mir den doppelten Bruch meines rechten Unterarms eingegipst hatte. Egal, dachte ich, der Gipsarm wird schon nicht das gemütliche Wochenende in ihrer Wohnung stören.

Das hätte er mit Sicherheit nicht. Aber das anschließende Volleyballtraining, zu dem mich Dörthe schleppte, war doch etwas umständlich mit dem gebrochenen Arm. Nach drei Stunden intensiver Ballwechsel wußte ich nicht nur, daß ich einfach zu alt für den Sport bin, sondern auch, daß es ein Fehler von mir gewesen war, aus männlicher Eitelkeit so zu tun, als ob ich es mit der Ersatzcrew der Zweitbundesligamannschaft in meinem Alter noch aufnehmen könnte.

Dörthe aber ging es gut. Der freundliche Hausmeister der Trainingshalle schob mich im Rollstuhl zu ihr nach Hause. „Das in Ihrem Fuß“, beruhigte mich der gute Mann, „wird wahrscheinlich nur ein Haarriß sein. Könnte aber natürlich auch ein doppelter Abriß des Kreuzbandes sein. Wieso mußten Sie auch mit Ihrem Fuß im Netz hängenbleiben?“ Wie auch immer, ich war wild entschlossen, das Wochenende doch noch zu einem erfreulichen Ende zu bringen.

Daß ich mir dann in ihrem Bad, als ich mir noch schnell meine Raucherzähne putzen wollte, mich so unglücklich drehte, daß ich nur noch auf allen Vieren wieder zurück ins Wohnzimmer kriechen konnte, war ärgerlich. „So ein Hexenschuß ist schmerzhaft“, wußte Dörthe zu kommentieren. „Aber das soll uns nicht groß abhalten.“ Wovon, wußte ich eine halbe Stunde später, als sie mich gemeinsam mit dem Piloten auf die Rückbank der einmotorigen Cessna hievte. Ich erfuhr, daß neben dem Volleyball ihre große Liebe dem Fallschirmspringen gehört. Nach dem fünften Doppel-Looping hörte ich auf mitzuzählen.

Wäre Dörthe dann nicht mit mir aus dem Flugzeug gesprungen („Jetzt wird's richtig schön“), hätte ich mir Sorgen um meinen Kreislaufkollaps machen müssen; so aber hatte ich andere Probleme: Den Fall aus dreitausend Meter Höhe bekam ich aber glücklicherweise aufgrund der Ohnmacht, in die ich vor Übelkeit und Schmerzen beinahe versank, gar nicht mehr groß mit. Skorpion hin, ihr knapper Rock her, irgendwie bin ich anscheinend zu alt für so was geworden. Die Bahnhofsmission fuhr mich freundlicherweise im Krankenwagen nach Hause. Was bleibt, ist eine Frage: ob das Leben mit 45 vielleicht doch schon irgendwie zu Ende sein kann? Kurt Nane Jürgensen

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