: Frankreichs Justizminister rüstet auf
Ein Anti-Terror-Gesetz kriminalisiert Unterstützer von sich illegal im Land aufhaltenden Ausländern. Kritiker des Vorhabens sehen Ausländer zu Sündenböcken abgestempelt ■ Aus Paris Dorothea Hahn
Nach der polizeilich-militärischen Aufrüstung im Rahmen der Aktion „Vigipirate“ will die französische Regierung der Attentatswelle jetzt auch mit einem Ausnahme-Gesetz begegnen. Das Anti- Terror-Gesetz stattet die Polizei mit erweiterten Möglichkeiten für Durchsuchungen und Festnahmen aus und nimmt die Unterstützung für Ausländer, die sich illegal im Land aufhalten ins Visier. Über eine entsprechende Vorlage soll in Kürze das Parlament abstimmen. Der Generalsekretär der Richtervereinigung, Jean-Claude Bouvier, nannte das Vorhaben gestern „extrem gefährlich“. Es bringe einfache Rechtsbrüche mit Terrorismus in Zusammenhang und biete keine effizientere Handhabe bei dessen Verfolgung.
Justizminister Jacques Toubon, der das Projekt am Mittwoch vorstellte, hatte noch vor drei Wochen versichert, eine Gesetzesreform im Zusammenhang der Attentatswelle sei nicht vorgesehen. Auch aus den Kreisen der Ermittler war kein Ruf nach gesetzlichen Verschärfungen gekommen. Dennoch bezeichnet Toubon seine neue juristische Waffe jetzt als „unbedingt nötig“. Zugleich schränkt er ein, daß „trotz der Mobilisierung aller zivilen und militärischen Autoritäten des Staates zu befürchten ist, daß die Attentate noch eine Zeitlang weitergehen“. Das geplante Anti-Terror-Gesetz erweitert die Liste der „terroristische Akte“ im Artikel 421-1 des französischen Strafgesetzbuches.
Neben Flugzeugentführungen und dem Besitz von Mordwaffen sollen künftig auch die „Beteiligung an einer Kampfgruppe“, das „Verbergen eines Kriminellen“ und die „Hilfe für Ausländer in irregulärer Situation“ aufgelistet sein, wenn diese Vergehen im Zusammenhang mit einem terroristischen Unternehmen stehen. Zusätzlich sollen Hausdurchsuchungen bei Terrorismusverdacht künftig auch zwischen 21 und 6 Uhr nachts stattfinden können. Bislang war das nur bei der Drogenfahndung möglich. Die Gesetzesinitiative löste Kritik bei zahlreichen Juristen aus. Der prominente französische Strafverteidiger und Präsident der „Liga für Menschenrechte“, Henri Leclerc, bezeichnete den Entwurf als Werbeaktion, um die Öffentlichkeit zu befriedigen. Er wies darauf hin, daß weder „schwache Gesetze“ Terroristen zu ihren Taten ermuntern, noch „harte Gesetze“ sie davon abhalten würden. Daniele Lochak, Juristin und Präsidentin der unabhängigen Immigrantenorganisation „Gisti“, erinnerte daran, daß die bisherigen Attentate von Franzosen oder von sich legal im Land aufhaltenden Ausländern begangen wurden.
Seit dem Bombenattentat vom 25. Juli in der Pariser Metrostation Saint-Michel, bei dem sieben Menschen getötet und zahlreiche schwer verletzt wurden, stehen Ausländer im Mittelpunkt der Ermittlungen. Über zwei Millionen Personenkontrollen wurden durchgeführt. Rechtsanwälte, Ärzte und Sozialarbeiter, die Immigranten in Frankreich betreuen, beklagen eine massive Verunsicherung ihrer Klienten. Die Kritik richtet sich an die Regierung: Sie fördere die Fremdenfeindlichkeit, indem sie einen Zusammenhang zwischen Terrorismus und sich illegal im Land aufhaltenden Ausländern konstruiere. Das geplante Anti-Terror-Gesetz verstärke diese Tendenz, Ausländer zu Sündenböcken zu machen.
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