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The Queen is not amused Von Ralf Sotscheck

Telefone bringen den Windsors nichts als Ärger ein. Doch Königin Elizabeth hat die Fernsprechanlage entgegen den Empfehlungen ihrer Berater nicht aus dem Buckingham-Palast herausreißen lassen, nachdem ihr Sohn und ihre Schwiegertochter bei ziemlich unroyalen Konversationen ertappt worden waren. Charles hatte gegenüber Freundin Camilla die Befürchtung geäußert, als deren Tampon wiedergeboren zu werden, und Diana hatte sich von einem vermeintlich fremden Mann als „Squidgy“ titulieren lassen. Nun hat es die Queen erwischt.

Eine Woche hat der kanadische Discjockey Pierre Brassard an seiner Falle gebastelt. Als Kanadas Premierminister Jean Chrétien unerreichbar in Québec – ein telefonloses Paradies für fernsprechgeschädigte Windsors? – weilte, schlug Brassard zu: Er ahmte die versoffene Chrétien-Stimme täuschend echt nach, rief im Buckingham-Palast an und ließ Elizabeth versprechen, die Bevölkerung von Québec, die heute über die Unabhängigkeit der Provinz abstimmt, zur kanadischen Einheit zu ermahnen. Das mache sie doch gerne, gurrte die Queen und nahm Chrétien die Anspielung auf „französische Küsse“ nicht weiter krumm. Die Frage nach dem Wohlbefinden der Familie beantwortete sie, wenn auch nicht ehrlich, so doch souverän: „Very well, thank you.“

Der Ruf der Königin sei dahin, schäumte die Daily Mail, die seit zehn Jahren auflagensteigernden Rufmord an ihrer Familie betreibt. Elizabeth habe sich auf das politische Schlachtfeld begeben, und das werde „erschütternde Folgen für die Zukunft des Commonwealth“ haben. Der Daily Telegraph meinte, die Queen sei nicht mehr in eine solche Verlegenheit gebracht worden, seit sich ihr Mann Philip auf einer Chinareise 1986 lauthals über die vielen „Schlitzaugen“ gewundert habe. Und die Labour Party macht Premierminister John Major für die Affaire verantwortlich, weil er nicht besser auf die Monarchin aufgepaßt habe. Der königliche Pressesprecher nannte das Telefongespräch dagegen unterkühlt einen „bedauerlichen Zwischenfall“. The Queen is not amused.

Die Bevölkerung dagegen sehr. 1,4 Millionen KanadierInnen, die dem 15minütigen Gespräch am Radio lauschten, wälzten sich vor Lachen am Boden. Wie hatte Windsor-Biograph A. N. Wilson so treffend geschrieben? „Der ideale Monarch wäre jemand, der wie Queen Elizabeth II. eher farblos wirkte und der die Demut hätte, die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu lenken.“ Und den Scharfsinn, sich nicht von kanadischen Discjockeys hereinlegen zu lassen.

Die Angelegenheit zeigt, welche Möglichkeiten für Stimmenimitatoren in der Geschichte offengestanden hätten: Cäsar hätte mit Brutus' Stimme die Pläne der Verschwörer erkunden, Churchill mit Stalins Stimme bei Hitler das geheime Zusatzprotokoll des Hitler- Stalin-Pakts herausbekommen können. Für die absehbare Zukunft ist dieser Weg verbaut, MonarchInnen und PolitikerInnen sind gewarnt. Ihre Telefonate werden sich von nun an jedoch mühsam gestalten. Wie will Helmut Kohl am Telefon beweisen, daß er in Wirklichkeit nicht Frank Elstner ist? Übrigens hatte Prinz Charles auf die Frage, wie er seine Rolle gelernt habe, einmal geantwortet: „So wie die Esel lernen: indem sie ihren Müttern zusehen.“

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