Wurst brutal

■ Borussia Dortmund erschleicht sich einen 2:1-Sieg bei Schalke 04

Gelsenkirchen (taz) – Wertkonservativen Fußballfans muß es den Appetit verschlagen haben, als die Sache vorige Woche verkündet wurde: Schalke 04 und Borussia Dortmund verscherbeln einträchtig ihre Markennamen an einen Wursthersteller aus Gütersloh. „Schalker Knappen“ respektive „BVB – Deutscher Meister“ sind nun also Wurstetiketten.

Fast im Halse stecken blieb es Schalkes Manager Assauer, als er diesen Vertrag und zugleich das 103. Derby mit den sinnigen Worten „Es geht um die Wurst“ annoncierte. Denn bislang war es für lokalpatriotische Fußballpuristen in diesem Duell eigentlich immer um weniger Greifbares, aber eindeutig Erhebenderes als den Absatz durchgedrehter Fleischwaren gegangen. Und es war vermutlich auch der alte Wunsch nach eigenem Triumph und Demütigung der anderen, der 70.960 Menschen dazu brachte, das Parkstadion zu füllen und mit 2,178 Millionen Mark Eintrittsgeldern einen Bundesligarekord aufzustellen.

Die Schalker waren in der Überzahl, auch stimmgewaltiger, und hatten mehr Grund zur Freude über Kampfgeist und Kombinationsspiel ihrer Mannschaft. Die Ideen- und Antriebslosigkeit des Meisters hingegen ließ dessen Trainer Hitzfeld ratlos zurück. Klar nur: „So geht's bei uns nicht weiter.“ Strafe gab's aber keine, weil sich die Schalker durch königliche Chancenverschwendung ein „Fußballfest“ (Trainer Berger) versagten. Zwar erzielte Mulder schnell den Führungstreffer, weil Cesar seine Bewacher- Aufgabe nur angelegentlich ausübte. Doch sorgte kurz vor der Pause der just eingewechselte Sosa abgeklärt dafür, daß die Schalker Defensive Zuordnungsprobleme bekam und Ricken die erste Chance zum Ausgleich nutzte.

Am Dortmunder Spiel änderte das wenig. Doch dann, in der letzten Minute, zeigte sich, wie „brutal Fußball sein kann“ (Berger): Dortmunds Zorc erzielte das 1:2. Trainer Hitzfeld war der erste Dortmunder Mehrpunktegewinn im Parkstadion seit 1983 derart unangenehm, daß er bekannte: „Ich bin nicht glücklich über diesen Sieg zu sprechen – was selten ist.“ Berger rang mehr mit seiner Fassung als mit Worten, weil es „die bitterste Niederlage, seit ich hier bin“ war.

Nur für die Anhänger solider Ruhrgebiets-Fußballfeindschaft ist das Ergebnis eine Erleichterung, weil ein Remis womöglich zu Szenen öffentlicher Verbrüderung geführt hätte. Ohne Aversionen aber macht ein Derby keinen Sinn. Und wem es nur noch um Wurst geht, der kann statt des Stadions ja gleich einen Supermarkt aufsuchen. Katrin Weber-Klüver