Mad Science Von Mathias Bröckers

Bei einer Konferenz über Künstliche Intelligenz Ende der achtziger Jahre hockten wir am Abend noch mit einigen der Referenten in der Kneipe, darunter auch Marvin Minsky, einer der KI-Päpste vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), und der Bewußtseinsforscher Tim Leary.

Ich saß zufällig zwischen den beiden und wunderte mich, wie blendend sich der „kalte“ Maschinen-Intelligenzler Minsky und der „heiße“ Neuro-Kosmonaut Leary verstanden.

Als die Rede auf Science-fiction-Filme kam, fragte Leary, ob sich Minksy an einen Streifen aus den fünfziger Jahren erinnere, in dem ein Professor eine Maschine baut und an sein Gehirn anschließt. Den genauen Titel des Films bekam ich nicht mit, aber Minskys begeisterte Antwort: „Na klar kenne ich den, das war doch der Film, nach dem ich beschloß, ein genauso verrückter Wissenschaftler zu werden...“

Minskys Verrücktheiten hielten sich indessen in Grenzen bzw. waren zumindest so staatstragend, daß er in Ehren auf einem Lehrstuhl ergrauen konnte – Leary hingegen, der am letzten Wochenende 75 wurde, verlor seine Harvard-Professur, wurde in den Knast gesteckt und mit dem Etikett „Staatsfeind“ und „Spinner“ versehen. Er hatte den Satz des Paracelsus auf die Wissenschaft angewandt: „Alles ist verrückt – es kommt nur auf die Dosis an.“

Die Probe aufs Exempel wollen jetzt Enthusiasten der South Bank University in London unternehmen und haben dazu aufgerufen, Forschungspapiere für die „First International Virtual Conference on Mad Science“ (IVCMS) einzureichen: „Verrückte Wissenschaft ist ein sehr angefeindeter Bereich des menschlichen Wissens, und ihre Vertreter waren lange genug in B-Pictures und angestammte Gebiete verbannt“, heißt es in der Einladung der Londoner Universität.

„IVCMS bietet ein internationales Forum für die Präsentation, Diskussion und Erweiterung der Erforschung dieser dunklen, machtvollen Pseudo-Wissenschaften und gefährlichen Technologien, die außerhalb des Horizonts konventioneller Wissenschaft und guten Geschmacks liegen.“

Die Konferenz soll das allgemeine Verständnis „verrückter“ Fachgebiete innerhalb der Wissenschaftsgemeinde fördern und Forscher dazu animieren, sich mit den Ideen und Ergebnissen zu befassen. „Der Gegenstand des Interesses schließt ein, ist aber nicht begrenzt auf: das Erschaffen von Leben aus egozentrischen Motiven; das Freisetzen von Wesen jenseits menschlicher Kontrolle; Beeinflussung der lebenserhaltenden Kräfte des Universums; Überschreiten der Begrenzungen des menschlichen Körpers durch merkwürdige Mutationen; neue Anwendungen alter Technologien (Alchemie, Geisterbeschwörung); für „krank“ gehaltene Zusammenarbeit mit außerirdischen/übernatürlichen Wesen; lebenslange Hingabe bei der Erforschung des Raumlosen und Leeren...“

Autoren sind eingeladen, ihre Arbeiten (bis zu 5.000 Worte und möglichst auf Diskette) einzusenden an: Paul Schleifer, IVCMS Programme Chair, School of Computing, Information Systems and Mathematics, South Bank University, 103 Borough Road, London SE1 OAA; e-mail schleip 6 sbu. ac. uk.