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Ein Antisemit will polnischer Präsident werden

■ Leszek Bubel geht mit rassistischer Propaganda und ordinären Sprüchen auf Stimmenfang

Warschau (taz) – Polen ist ein demokratischer Staat. Jeder, der Lust hat, einmal Präsident dieses schönen Landes zu sein, kann sich um das Amt bewerben. Eine spezielle Qualifikation ist nicht nötig. Nur zwei Nachweise werden verlangt: die polnische Staatsbürgerschaft und 100.000 Unterschriften auf einer Liste. Die Folge ist, daß sich neben ernsthaften Persönlichkeiten auch Spinner, Geschäftemacher und Antisemiten um das höchste Amt im Staate streiten. Leszek Bubel, einer der Kandidaten, führt den Wahlkampf im Stil des Catch-as-catch-can und läßt schon mal die Hosen runter, um die Gegner zu irritieren.

Es sind allerdings nicht die eigenen, sondern bevorzugt die von Juden und minderjährigen Jugendlichen. Bubel liebt Witze. Je dreckiger, um so besser. Eine inzwischen von der Staatsanwaltschaft eingezogene Broschüre Bubels zeigt auf dem Titelbild Aleksander Kwasniewski, den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Polens und aussichtsreichsten Kandidaten für das Präsidentschaftsamt. Kwasniewski sitzt auf einer mit Davidsternen verzierten Banane. Im Hintergrund hängen zwei Porträts, ein verkniffener Lenin mit Vorhängeschloß vor dem Mund und ein lachender Schweinskopf mit Sonnenbrille und Davidstern. Die Broschüre nennt sich „Jüdischer Humor“. Bubel hat sich auch einen Namen für Kwasniewski ausgedacht: „stolecman“, also Stuhlgang-, Scheiß- oder Kack-Mann. In dem Stil ist die ganze Broschüre gehalten, ein Davidstern als Klobrille, vögelnde Politiker, ordinäre antisemitische Witze. In einer zweiten Broschüre erklärt Bubel Schulkindern, welche Funktion Sex für eine Karriere hat: Mädchen dürfen doof sein – solange sie die Beine breit machen, werden sie alles erreichen. Jungens sind die späteren Chefs, durch deren Betten jede Frauenkarriere geht.

Trotz dieser eklatanten Verstöße gegen das Strafrecht ist Bubel noch immer Präsidentschaftskandidat und darf im Fernsehen auftreten. Zwar wurden zwei seiner Wahlkampfspots von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt, doch der erste lief in voller Länge. Drei Minuten Antisemitismus pur. An den nächsten Tagen stand nichts in den Zeitungen. Und das ist das Verwunderliche: Niemand regt sich darüber auf, daß ein Antisemit Präsident aller Polen werden möchte, daß Plakate mancher Kandidaten mit Davidsternen oder Hakenkreuzen beschmiert sind, daß anonyme Listen mit den angeblich „wahren“, natürlich jüdischen Namen von unliebsamen Personen kursieren. Das alles gehört, wie man hier sagt, zur „politischen Folklore“.

Arnold Mostowicz, der Vorsitzende des „Verbandes der jüdischen Kämpfer und Geschädigten“ erklärt das so: „Das ist eine Randerscheinung. Und Bubel wird sowieso nicht Präsident. Außerdem laufen die Verfahren ja schon.“ Die Frage ist nur, ob die Polen genauso gelassen reagieren würden, wenn die Rollen vertauscht wären und ein Präsidentschaftskandidat ein antipolnisches Witzblatt lancieren würde. Wahrscheinlich wäre die Hölle los. Und das ganze Land würde fieberhaft überlegen, ob Polen schon verloren ist oder die Demokratie noch einmal gerettet werden kann. Gabriele Lesser

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