■ Kroatiens Wähler – nicht so dumm, wie erhofft: Tudjman muß Federn lassen
Da hatten sie sich alles so schön ausgedacht. Indem sie vorzeitig Parlamentswahlen ausgerufen haben, wollten die von Korruptionsskandalen umgebenen Mannen um Franjo Tudjman – die Führungsriege der Regierungspartei HDZ – den Sieg in der Krajina politisch nutzen. Die von ihnen selbst geschürte nationale Begeisterungswelle sollte die HDZ in ungeahnte Höhen tragen. Mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament sollte dann nicht nur der Präsident mit erweiterten Rechten ausgestattet, sondern auch der Anschluß der von Kroatien besetzten Gebiete in Bosnien-Herzegowina durchgesetzt werden.
Alle verfügbaren Machtmittel wurden eingesetzt, das staatliche Fernsehen zum Propagandainstrument herabgewürdigt, die Chancengleichheit der Parteien mit Füßen getreten – aber die Rechnung ist nicht gänzlich aufgegangen. Schon die äußerst niedrige Wahlbeteiligung zeigt an, daß viele Kroaten das Spiel nicht akzeptierten. Dort, wo die Oppositionsparteien breite Wahlbündnisse schlossen, konnten sogar Direktmandate errungen werden. Unterm Strich wäre die Verhinderung der Zweidrittelmehrheit der Sitze ein Erfolg für die Opposition.
Der Erfolg hätte noch größer ausfallen können, verfügten die Oppositionsparteien über überzeugende Alternativen. Die Sozialliberalen, die bisher stärkste Oppositionspartei, bekamen die Quittung für ihre Schaukelpolitik zwischen Anbiederung und konsequenter Opposition. Überrascht haben hingegen die Bauernpartei, die sich konsequenter um die wirtschaftlichen Belange kümmerte, und auch die Ex- Kommunisten. Sie brauchen sich ihres Ergebnisses von knapp 9 Prozent der Stimmen nicht zu schämen. Andere Parteien und Personen jedoch knickten ein: vor allem Stipe Mesić, der ehemalige Weggefährte und jetzige scharfe Kritiker Tudjmans.
Das Wahlergebnis läßt hoffen. Der Regierungspartei und Tudjman selbst werden es nicht leicht haben, ihre Teilungspolitik in Bosnien und ihre intolerante, antidemokratische Politik im Innern fortzuführen. Schon dreht sich aus internationaler Richtung der Wind. Die bisherigen Stützen Kroatiens, die USA und Deutschland, beginnen, von Tudjman abzurücken. Macht er in Bosnien weiter wie bisher, sind Embargomaßnahmen gegen Kroatien nicht mehr ausgeschlossen. Der Höhepunkt der Ära Tudjman könnte bald zum Wendepunkt für seine Karriere werden. Jetzt ist die Opposition am Zug, Alternativen für eine demokratische und europäische Zukunft Kroatiens aufzubauen. Erich Rathfelder,Zagreb
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