: Festnahme eines redseligen, stolzen Terroristen
■ Meistgesuchter Ex-Guerillero Argentiniens in Mexiko verhaftet und ausgeliefert
Berlin (taz) – Seit über zwanzig Jahren wird er gesucht, nun sitzt er in argentinischer Haft: Enrique Gorriarán Merlo wurde bereits am Samstag von Interpol-Agenten in Mexiko-Stadt festgenommen und sofort nach Argentinien ausgeliefert. Merlo ist Mitbegründer der trotzkistischen Guerilla „Revolutionäre Volksarmee“ (ERP), die in den siebziger Jahren mit zahlreichen bewaffneten Aktionen auf sich aufmerksam machte.
Merlo ist redselig. Im Mai gab er argentinischen Fernsehjournalisten an unbekanntem Ort ein Interview – und gab darin zwar taktische Fehler der Guerilla zu, sagte jedoch auch: „Generell bereue ich nicht, was ich getan habe.“ Und das war nicht wenig. „Er gehört“, kommentierte Argentiniens Präsident Carlos Menem wütend das Interview, „zu den vollkommen gewissenlosen Kriminellen. Sie sind kaltblütig und blutrünstig.“
Nach eigenem Bekunden leitete Merlo den Guerilla-Angriff von 1989 auf die argentinische Militärkaserne von La Tablada. Bei den fast 30stündigen Gefechten kamen 39 Menschen ums Leben – Merlo selbst konnte entkommen. Es war die erste große Guerilla-Aktion seit dem Ende der Militärdiktatur.
Aber auch außerhalb Argentiniens will Merlo aktiv gewesen sein. Er selbst, so der heute 53jährige, der seit den späten sechziger Jahren im Untergrund kämpfte, sei auch an der Ermordung des ehemaligen nicaraguanischen Diktators, Anastasio Somoza, beteiligt gewesen. 14 Monate nach seinem Sturz war Somoza am 17. September 1980 in Paraguays Hauptstadt Asunción, wo ihm die Stroessner- Diktatur politisches Asyl gewährt hatte, von einem Hinrichtungskommando getötet worden.
Merlo regte an, über das Attentat ein Buch zu schreiben: Unter dem Namen „Ramon“ gab er ein genaues Zeugnis der achtmonatigen Vorbereitungen zum Mord an Somoza ab – einer Aktion, die nach Angaben von Merlo im Voraus von der sandinistischen Regierung gebilligt worden war, in jedem Fall aber im Nachhinein deren offene Unterstützung fand. Mit dieser „heroischen Tat“, schrieb damals die Parteizeitung Barricada, sei dem Diktator die Rechnung für seine Verbrechen präsentiert worden. Das Buch wurde 1993 in Nicaragua veröffentlicht. Darin taucht Merlo als „Ramon“ auf.
Eine andere Aktion auf internationalem Parkett jedoch ist bis heute nicht endgültig geklärt: Das Attentat auf den abtrünnigen sandinistischen „Comandante Zero“, Edén Pastora, 1984 im costaricanischen Regenwald, bei dem fünf Journalisten getötet und etliche verletzt wurden. Zwei US-Journalisten, Überlebende des Attentats, hatten jahrelang geforscht und waren 1993 darauf gestoßen, daß der Attentäter, dessen Auftraggeber sie zunächst bei der US-amerikanischen CIA gewähnt hatten, der Gruppe von Merlo angehört hatte und wahrscheinlich auch beim Attentat auf Somoza beteiligt gewesen war. Der Attentäter selbst konnte nicht mehr gefragt werden – er war 1989 beim Angriff auf La Tablada ums Leben gekommen.
Merlo selbst blieb untergetaucht. Bei seiner Festnahme soll er einen gefälschten paraguayischen Paß bei sich geführt haben. Vor etwa einem Monat seien argentinische Agenten auf seine Spur gekommen, heißt es aus argentinischen Geheimdienstkreisen, nachdem er in den vergangenen zwölf Monaten oftmals zwischen Mexiko und Nicaragua hin- und hergereist sei. Bernd Pickert
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