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Von der Geldschleuder zum Einspar-Nagel

■ Bausenator droht mit höheren Mieten und will Baustopp für 10.000 Wohnungen, die Wasserstadt und Messehallen

Mit einer Einsparwelle im Wohnungsbau, bei den Entwicklungsgebieten, dem Messeausbau sowie anderen Investitionen hat sich gestern Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) als Haushaltssanierer einer kommenden Großen Koalition profiliert. Die Sozialdemokraten, sagte Nagel, müßten „in einer zukünftigen Regierung“ einen verantwortungsvollen Part beim „Thema Nummer eins, der Haushaltssanierung“ übernehmen.

Zur Konsolidierung des Defizits von drei bis vier Milliarden Mark schlug der Senator „schmerzhafte Einschnitte bei baulichen Investitionen“ vor, die in das Regierungsprogramm eingebracht werden sollen: So sei beim Wohnungsneubau geplant, die Zahl von 14.000 neuen Wohnungen 1996 und 13.000 Wohnungen 1997 herunterzufahren. Nagel hielt noch 10.000 bis 12.000 neue Wohnungen jährlich für ausreichend. In Berlin und Brandenburg drohe keine Wohnungsnot.

Auch die neuen Vorstädte sollen auf den Prüfstand: Während etwa Karow-Nord, Altglienicke oder Rudow-Süd zu Ende gebaut würden, könnte für die Siedlungen Lichterfelde-Süd und in Buch das Aus kommen, erklärte der Bausenator. 10.000 Wohnungen sollten erst einmal nicht gebaut werden. Noch gravierender sind die Folgen für die Entwicklungsgebiete. Der Wasserstadt Oberhavel, Rummelsburger Bucht, Eldenaer Straße und Adlershof drohe eine „erhebliche Streckung“.

Eine „bittere Pille“ komme auch auf die Mieter von rund 250.000 Sozialwohnungen zu, die ab 1996 bis zu 50 Pfennnig pro Quadratmeter teurer werden. Außerdem schlug Nagel vor, auf den vierten Bauabschnitt der Messe unter dem Funkturm zu verzichten sowie die U-Bahnlinie 5 und geplante Gebäude für Justiz, Polizei und andere öffentliche Verwaltungen zu stoppen.

„Tabu“ blieben hingegen die Förderung im sozialen Wohnbau, der Verkauf von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und die Sanierung von Quartieren. Nagel rechnet mit längerfristigen Einsparungen von insgesamt „mehreren Milliarden Mark“.

„Ungläubig“ reagierte die Fraktion Bündnis90/Die Grünen auf Spar-Nagel. Noch vor der Wahl habe der Bausenator für mehr Schulden plädiert, um Investitionen zu tätigen, kritisierte Elisabeth Ziemer, baupolitische Sprecherin der Bündnisgrünen. Außerdem habe seine Verwaltung zum Bau teurer Wohnungen Fördergelder mit vollen Händen ausgegeben, statt auf die Haushaltskonsolidierung oder den sozialen Wohnungsbau zu setzen. Der „Geldschleuder“ Nagel traut Ziemer keine wirklich sozialverträgliche Haushaltssanierung zu. Sie begrüßte allerdings die Sparvorschläge. Bereits in der Vergangenheit haben die Grünen-Politiker Michaele Schreyer und Michael Cramer wiederholt den Baustopp der U 5 sowie die Prioritätensetzung oder Streichung bei den teuren Entwicklungsgebieten und dem Messeneubau gefordert. Rolf Lautenschläger

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