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Märtyrer Barschel

Freispruch zweiter Klasse von Schubladenausschuß. Ex-Medienreferent Pfeiffer empört  ■ Von Kersten Kampe

Kiel (taz) – Freispruch oder Freispruch zweiter Klasse oder gar dritter Klasse für Uwe Barschel – je nach politischer Couleur wird der vertrauliche Berichtsentwurf der beiden Vorsitzenden des Kieler Schubladenausschusses interpretiert.

Heinz-Werner Arens (SPD) und Bernd Buchholz (FDP) kommen zur Rolle Barschels in der Affäre 1987 zu dem Ergebnis, daß es keine Beweise dafür gibt, daß der einstige Ministerpräsident den Auftrag für die von seinem Medienreferenten Reiner Pfeiffer gegen den damaligen SPD-Oppositionsführer Björn Engholm organisierten Wahlkampfaktionen gab. Aber auch die völlige Unschuld des CDU-Politikers ließ sich nicht beweisen.

Denn keinen Zweifel haben Arens und Buchholz an der politischen Verantwortung Barschels. Immerhin hat er Pfeiffer in die Kieler Staatskanzlei geholt, auf seiner Ehrenwort-Pressekonferenz gelogen und eigene Mitarbeiter zu Falschaussagen und falschen eidesstaatlichen Versicherungen gedrängt. Zweifel aber bleiben, ob Barschel an der anonymen Steueranzeige gegen Björn Engholm, der Bespitzelung, und an dem sogenannten Aids-Anruf bei Engholm beteiligt war.

Pfeiffer setzte sich gestern zur Wehr. „Absurde Verfälschung“ von Fakten, warf er Arens und Buchholz vor. Pfeiffer betonte in einer Mitteilung, daß Barschel „Initiator aller von mir ausgeführten Angriffe gegen den ehemaligen SPD-Oppositionschef gewesen ist und einen Teil der Aktionen auch selbst zu überwachen versucht hat. Das Kartenhaus aus falschen Verdächtigungen, haltlosen Spekulationen, bösartigen Diffamierungen und bewußten Verdrehungen könnte binnen weniger Tage jede Gruppe politisch unabhängiger Kriminalbeamter zum Einsturz bringen.“ Er glaubt, daß die CDU wegen der bevorstehenden Landtagswahl Barschel jetzt „posthum zum Märtyrer“ machen will.

Die Glaubwürdigkeit von Pfeiffer haben Arens und Buchholz in ihrem Entwurf jedoch sehr in Frage gestellt. Bereits im Frühjahr 1993 hatte das Kieler Landgericht Pfeiffer als unglaubwürdig eingeschätzt.

Für die CDU kamen die Feststellungen des SPD-Politikers Arens und des FDP-Politikers Buchholz gerade zur rechten Zeit: CDU-Landeschef Hennig erklärte am Montag abend bei der Feier des 50jährigen Bestehens, „es ist gut, daß der schleswig-holsteinischen CDU zu ihrem 50. Geburtstag Gerechtigkeit widerfährt“. Heinz- Werner Arens dagegen warnte vor einer neuen Legendenbildung.

Doch Stoff für Legenden dürfte die Barschel-Affäre weiterhin genug bieten. Am 11.Oktober 1987, kurz nachdem er als Ministerpräsident zurückgetreten war, wurde er tot in einer mit Wasser gefüllten Wanne gefunden. Seit Dezember 1994 ermittelt die Lübecker Staatsanwaltschaft wegen Mordverdacht gegen Unbekannt.

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