: Bäuerliche Not
■ Ein Treckerfahrer oder Atomtransporte: Was ist „für die Allgemeinheit“ wohl gefährlicher? Von Marco Carini
Gleich zweimal konnten die AtomkraftgegnerInnen am Dienstag spontan gegen das „Skandal-Urteil“ protestieren. Erst demonstrierten sie auf dem Lüneburger Marktplatz, um anschließend in Fahrgemeinschaften zur „Solidaritätskundgebung“ nach Dannenberg zu jetten, wo sich rund 400 Menschen in den Abendstunden versammelten. Der Grund der antiatomaren Umtriebigkeit: Ein Anfang der Woche vom Amtsgericht Dannenberg gegen den Wendland-Bauern Jochen Kulow verhängter Gerichtsbeschluß.
In diesem hatten die, sich hauptberuflich im Recht befindlichen Herren, Kulow den Führerschein entzogen, weil er mit seiner Zugmaschine am Pfingstmontag dieses Jahres an einer Blockadeaktion gegen Atomtransporte teilgenommen hatte. Nicht etwa die strahlende Fracht, so urteilten die Richter, sondern der politisch aktive Traktorfahrer stelle eine „Gefahr für die Allgemeinheit“ dar. Während die Castor-Transporte weiterrollen dürfen, muß Kulow fortan zu Fuß gehen.
Doch ohne Traktor kann Kulow seinen Hof in Zargleben nicht mehr bestellen. Kein Wunder, daß die „bäuerliche Notgemeinschaft Lüchow Dannenberg“, hinter dem Urteil den Versuch wittert, die Existenz eines Atomkraftgegners „kaputt zu machen“. Notgemeinschaftssprecher Heinrich Pothmer: „Stellvertretend für alle Widerstandsbauern soll an Kulow ein Exempel statuiert werden.“
Da „wir Landwirte aber seit Jahrhunderten die Tradition der Nachbarschaftshilfe praktizieren“, so Heinrich Pothmer, wollen die Bauern ihren führerscheinlosen Kollegen nicht hängen lassen: „Wir sind da, um seine Felder zu bestellen und Ernte und Viehfutter zu transportieren.“ Merke: Darf ein Bauer nicht mehr ackern, tun für ihn die andern rackern.
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