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Jedes Haus ist genehmigungsfähig ...

■ ...meint Senatsbaudirektor Hans Stimmann im Interview zum Pariser Platz. Der Rahmen der Gestaltungssatzung müsse aber eingehalten werden. Das auf historisch getrimmte Adlon dagegen "ist problematisch"

taz: Am Pariser Platz wird mit Stein und Glas, modern, postmodern und historisierend gebaut. Ist dort jetzt – statt des noch in der Gestaltungssatzung des Bausenators geforderten Gleichmaßes – alles möglich?

Hans Stimmann: Am Pariser Platz ist architektonisch jedes Haus genehmigungsfähig, das den Rahmen der Gestaltungssatzung einhält. Um Ihre Etikettierung zu gebrauchen: Möglich ist historisierende, postmoderne und „moderne“ Architektur. Genau diese relative Offenheit war die Absicht der durch das Parlament beschlossenen Satzung. Nicht die Architektur wird vorgeschrieben, sondern der Rahmen der Architektur. Die Qualität der Architektur ist in die Verantwortung der Bauherren und ihrer Architekten gegeben.

In die Architekturvorstellungen wird dennoch hineingeredet. War die Gestaltungssatzung nicht ein falsches Signal?

Die Satzung regelt das, was Satzungen regeln können: Sie bilden die gesellschaftliche Verabredung auf ein paar Regeln, bezogen auf die Art der Nutzung, die Nutzungsmischung, die Höhenentwicklung und das Material der Fassaden. Sie lassen ein breites Spektrum künstlerischer Interpretationsmöglichkeiten zu.

Wäre es nicht besser, statt nach allgemeinen Regeln Haus für Haus nach Funktion, Nutzung und Architektur zu planen?

Nein. Nur so war es möglich, eine Brücke zu schlagen zwischen denjenigen, die eine nostalgische Rekonstruktion für richtig halten, und denjenigen, die am liebsten ganz ohne Vorgaben geplant hätten. Innerhalb der Regeln passiert gerade das, was Sie fordern. Haus für Haus wird nach Funktion, Nutzung und Architektur individuell geplant. Dies ist durch Wettbewerbe mit vier Häusern geschehen. Für ein fünftes Gebäude an der Wilhelmstraße/Unter den Linden wird gerade ein Wettbewerb vorbereitet. Es erfolgen noch zwei weitere Wettbewerbe, unter anderem für die französische Botschaft. Das problematischste Projekt ist aus meiner Sicht der auf historisch getrimmte Neubau des Adlon-Hotels, der im Direktauftrag vergeben wurde.

Bei der neuen DG-Bank zwischen Akademie der Künste und Amerikanischer Botschaft erscheint die Fassade ohne Beziehung zum dahinter liegenden Bau, der zugleich Bank, Kongreßbau, Ausstellungshalle und Wohnhaus ist. Hat der Architekt Gehry eine Kulisse geplant?

Bei dem Gebäude für die DG- Bank handelt es sich um ein Bürogebäude, in das zwanzig Prozent Wohnen integriert sind. Es ist kein Kongreß- oder Ausstellungsgebäude. Wie bei der Dresdner Bank gegenüber zählt zur Funktion auch hier ein kleiner Versammlungsraum, der von Gehry in den überdeckten Innenhof gelegt wurde. Er bekommt eine besondere Bedeutung, ohne daß aus dem Gebäude ein Kongreß- oder Ausstellungsgebäude wird. Die Fassade ist nicht Kulisse.

Welche Funktion wird der Pariser Platz einmal haben?

Mit Sicherheit wird es ein Platz mit einem hohen Maß an „formeller“ Öffentlichkeit sein.

Wie vertragen sich dort hochgesicherte Botschaften und eine Öffentlichkeit etwa bei Ausstellungen in der Akademie?

Ich habe keine Schwierigkeiten, mir vorzustellen, daß neben der amerikanischen Botschaft eine Bilderausstellung eröffnet werden soll und Besucher das Gebäude der Akademie betreten. Die Sicherheit der amerikanischen und französischen Botschaft wird vor allen Dingen durch gebäudebezogene Maßnahmen hergestellt.

Warum wurde am Pariser Platz nur über die Platzseiten „nachgedacht“ und nicht auch über die Rückfronten der Bauten? Wie passen an der Behrenstraße Wohnhausfassaden und das Holocaust- Mahnmal zueinander?

Natürlich haben wir über die Fassaden an der Behrenstraße nachgedacht. Hier werden aber außer den Höhenbegrenzungen keine Vorschriften gemacht. So wird in jedem einzelnen Fall das komplizierte Thema des Gegenübers von Bürohaus- oder Wohnhausfassaden und dem Denkmal für ermordete Juden geprüft. Prüfkriterium ist an diesem Ort der Besinnung und des Nachdenkens das Ziel einer eher ruhigen und unaufgeregten Fassadenstruktur. Interview: Rolf Lautenschläger

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