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■ StandbildWir sind nicht allein

Im Gespräch: Paul Virilio/ Friedrich Kittler, Mi., 23.35 Uhr, arte

Zeigst du mir deine Apokalypse, zeig ich dir meine – was genau war die Idee, Paul Virilio (eingeführt als „Stadtplaner und Philosoph“) und Friedrich Kittler (Medienphilosoph) zu einem arte-Abend zusammenzusetzen? Das Ganze wirkte wie das barocke Zusammentreffen zweier Herrscher, die ihren Hofstaat spreizten und dem anderen Geschenke darbrachten, darunter ein paar Jungfrauen.

Stets sorgengefurcht die Stirn des gealterten Mahners, des Diogenes der Virtualisierung: Ist nicht, Herr Kittler, mit dem Verlust der Zwischenmenschlichkeit zu rechnen, wenn es so weiter geht mit der Virtualisierungt? Ist der infernalische Viersprung nicht: Supermarkt, (Stadtzentrum ohne Stadt), Teleshopping (brauchst nicht mal mehr aus dem Haus), Meinungsumfrage statt Demokratie, das Internet als Globalkondom (Männer müssen keine Frauen mehr treffen)?

Kittler, entgegenkommend: In der Tat zeige sich nun das Aufgehen einer versteckten Strategie: erst die PCs, die nichts konnten als Textverarbeitung. Inzwischen können sie – Karnivoren, die sie sind – alle anderen Medien fressen. Aber was wollen Sie: Computer, das ist Kittlers Credo, sind ja schließlich nicht erfunden, um den Menschen zu helfen, sondern sind eine Erfindung des Zweiten Weltkriegs. (Daraus ergibt sich offenbar schon zwingend, daß kein Staat mit ihnen zu machen ist.)

Ein Moderator wäre nötig gewesen, um den feinen Unterschied in den Apokalypsen der beiden Könige des Untergangs herauszupräparieren: Während Virilio im Nebel des allgemeinen Werteverlusts herumtappen möchte, hat Kittler noch immer die Amerikaner im Visier. Es sei ihnen nun endlich auf dem Umweg über die Computertechnologie gelungen, der Welt die Pax americana aufzuoktroyieren, die sie mit bloßer Waffengewalt nicht durchsetzen konnten.

Angst vor Virilios Echtzeit habe er zunächst noch keine, eher vor den Gentechnikern, denen irgendwann einmal die Verzahnung von Fleisch und anorganischer Technologie gelingen könnte. Was die Software angehe, solle man sich wieder an einen alten Gedanken gewöhnen: daß es Götter gibt, und daß diese Götter heute intelligente Programme sind – intelligenter manchmal sogar „als der Nachbar“. Auch als der Nachbar im Fernsehstudio vielleicht? mn

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