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Ungewohnter Applaus für Zwickel

■ Die Bundesregierung begrüßt die "Bündnis für Arbeit"-Initiative des IG-Metall-Vorsitzenden und beschließt Kürzung der Arbeitslosenhilfe. Wirtschaftsinstitut bescheinigt hohe Beschäftigungseffekte

Bonn/Kiel/Berlin (dpa/AFP) – Mit seinem Vorstoß für ein „Bündnis für Arbeit“ ist der IG-Metall- Vorsitzende Klaus Zwickel auf eine überwiegend positive Resonanz gestoßen. Sowohl die Bundesregierung als auch Arbeitgebervertreter zeigten sich beeindruckt. Das Kieler Weltwirtschaftsinstitut attestierte den Vorschlägen, daß damit ein Beschäftigungszuwachs möglich sei.

Zwickel hatte am Mittwoch angeboten, die Lohnforderungen der Gewerkschaft zurückzunehmen, wenn die Arbeitgeber gleichzeitig Neueinstellungen garantierten und die Bundesregierung auf den Abbau von Sozialleistungen verzichte. Das Angebot Zwickels und die Reaktion der Metall-Arbeitgeber böten die Chance, „Gräben zu überwinden für mehr Wachstum unserer Wirtschaft und für mehr Beschäftigung“, erklärte Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) gestern in Bonn. Der Härtetest dieser Chance seien die kommenden Tarifrunden. Der Schlüssel für mehr Wachstum und Beschäftigung liege in den Händen der Tarifpartner, erklärte Bohl. Die Regierung sei für alle Gespräche offen, die geeignet seien, die Arbeitslosigkeit zu verringern und zum Aufbau von Beschäftigung beizutragen. Auf die Bedingung Zwickels, daß die Bundesregierung die Einschnitte in Sozialleistungen beenden müsse, ging Bohl nicht direkt ein.

Die beantwortete auf seine Weise Bundesarbeitsminister Norbert Blüm. Unter seiner Führung beschloß gestern das Bundeskabinett eine Kürzung der Arbeitslosenhilfe um jährlich 3,4 Milliarden Mark.

Die Reform der Arbeitslosenhilfe soll in wesentlichen Teilen zum 1. April 1996 in Kraft treten. Das Bundesarbeitsministerium erklärte, allgemeine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen würden künftig erst nach zwölf statt bisher sechs Monaten Arbeitslosigkeit genehmigt. So könnten Bezieher von Arbeitslosenhilfe verstärkt einbezogen werden. Um eine Wiederbeschäftigung zu erleichtern, werden Arbeitstrainingsmaßnahmen eingeführt.

Langzeitarbeitslosen sollen nach den Plänen der Regierung künftig die Bezüge nominal um fünf Prozent jährlich gekürzt werden. Allerdings darf der durchschnittliche Tariflohn der untersten Lohngruppe im entsprechenden Beruf nicht unterschritten werden. Gemildert wird die Kürzung durch die gleichzeitig erfolgende jährliche Anpassung an die Entwicklung der Bruttolöhne, so daß die wirkliche Kürzung nur den Differenzbetrag ausmacht. Wer bereits Rentenanspruch hat, soll künftig keine Arbeitslosenhilfe mehr erhalten.

Ungeachtet seiner Gesetzesinitiative wertete Blüm die Initiative Zwickels als „beachtlich“. Blüm forderte die Arbeitgeber auf, jetzt ihrerseits „Einfallsreichtum“ in der Tarifpolitik zu zeigen.

Deren Einfallsreichtum beschränkte sich jedoch teilweise auf bekannte Haltungen. So forderte der stellvertretende Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Rudolf Geer, von der IG Metall die Revidierung des laufenden Tarifvertrages. Sonst komme der neue Vorstoß der Gewerkschaft zu spät. Wenn die IG Metall wirklich an der Sicherung von Arbeitsplätzen interessiert sei, müsse über eine Revidierung des Tarifvertrages für 1996 verhandelt werden.

Zu einer anderen Bewertung der Zwickelschen Initiative kam das Kieler Institut für Weltwirtschaft. Tarifabschlüsse in Höhe der derzeitigen Inflationsrate lassen einen kräftigen Beschäftigungszuwachs erwarten, lautet das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts. Das gelte vor allem dann, wenn die Lohnzurückhaltung nicht auf den Metallbereich beschränkt bleibe. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) kann Zwickels Vorstoß nur Positives abgewinnen. Dies sei einer der „besten und mutigsten Vorschläge, der in letzter Zeit gemacht wurde“, sagte Schröder gestern. Es sei zu hoffen, daß sich Bundesregierung und Tarifpartner darauf einließen. Schröder kann sich ein „Bündnis für Arbeit“ auch auf regionaler Ebene vorstellen.

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