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Schrott und Technik

■ Maschinenkünstler auf Kampnagel

Scheinwerfer leuchten auf, Sirenen schrillen, Subwoofer brummeln. So kehrt in mattem grünen und roten Licht wieder Leben ein in die Kampnagel-Halle K4. Schrott und High-Tech hat die österreichische Künstlergruppe Contained zu Bausteinen eines biomechanischen Theaters verbunden, das nur funktioniert, wenn die Besucher zu Mitakteuren werden.

Mit einer Art Turbinenflak kann man das Zielkreuz auf eine den ganzen Raum trennende, flexible Wand projizieren, mit dem hochgefahrenen künstlichen Sturm lassen sich die einzelnen Paneele in wilde, scheppernde Bewegung versetzen. Im durch eine Luftschleuse zugänglichen anderen Raum wirbeln Fahrräder den Benutzer per Pedalkraft im engsten Kreis schwindelerregend herum und betreiben dabei einen mehr als flugzeuggroßen Klangpropeller. Das Donnerstag abend eröffnete Projekt Propelled ist eine neue in der Serie von bisher fünf Performances und Installationen unterschiedlicher internationaler Maschinenkünstler, die Eva Diegritz seit einem Jahr für Kampnagel organisiert hat.

„Die Maschinen sind für uns Werkzeuge, um die Wahrnehmung aufzubrechen“, sagt Just Merrit, Gründer der jetzt neun Künstler umfassenden Gruppe, die seit 1992 auf dem Werksgelände des Stahlproduzenten „Voest Alpine AG“ in Linz (einst „Hermann-Göring- Werke“) beheimatet ist. Zwischen Werkssicherung und Schrottplatz haben sie in Absprache mit den Arbeitern Werkstätten-Container errichtet. Durch ihre Initiative von unten wurden sie so etwas wie der Kulturverein der 10.000 Personen umfassenden Werks-Stadt. Die Vorbehalte gegen die Künstler wurden mit einem festlich zelebrierten Kampf zweier ferngesteuerter Maschinen und einem „Eisenträgerweitwerfen mit Hilfe von Kränen“ ausgeräumt. Seitdem hat sich eine beachtliche Kooperation entwickelt, kurz: „Ohne die Arbeiter ginge es nicht“, wie die Gruppe betont.

Doch die Bedeutung der Eisenteile nimmt für die Gruppe ab, auch sie haben Anteil am postindustriellen Umbau. So dokumentierten sie den Abbau eines stillgelegten Werksteils, der komplett nach Malaysia verkauft wurde, und kreieren mehr und mehr Medienprojekte. Auch in Hamburg ist ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen: Während der Ausstellung werden tagsüber die Attraktionen weiter ausgebaut. Hajo Schiff

Kampnagel K4, tgl. außer Mo, ab 20 Uhr, bis 11. 11.

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