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Im Märchenland

■ Tanz der Prinzessinnen beim 1:1 des VfB Stuttgart gegen Werder Bremen

Stuttgart (taz) – „Wir sind nicht mehr das Aschenputtel der Liga.“ (Rolf Fringer, Stuttgart, vor dem Ball)

Es war einmal ein reicher Könisgssohn. Und der beschloß, sich eine Frau zu suchen. Auf 34 Bällen, die er innerhalb eines Jahres geben wollte, konnten sich die Bewerberinnen miteinander messen. Im Anschluß an jeden Ball vergab der Prinz drei Punkte an die beste Tänzerin, und diejenige, die bis zum Ende der Ballsaison die meisten Punkte ertanzte, sollte die Auserwählte sein. Am ersten Novembersamstag fand der königliche Ball vor über 30.000 Gästen in Stuttgart statt. Geladen waren Prinzessinnen aus der Hansestadt Bremen, die in herrlich blauen Kostümen das Parkett betraten.

Die jungen Damen aus Stuttagrt konnten sich diesen Ball natürlich nicht entgehen lassen, doch wurden sie nicht nur wegen ihres unattraktiven Äußeren, sondern auch, weil sie gerade auf Provinzbällen aus der Reihe tanzten, meist nur als Aschenputtel bezeichnet. Zum Festtag erschienen sie durch die Hilfe eines Magiers aus Herzogenaurach in blütenweißen Kleidchen und hübschen roten und weißen Schuhen.

Der Königssohn hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, jeden Ball anzupfeifen, und unmittelbar nach dem Anpfiff tanzten die Aschenputtel die Prinzessinnen schwindelig. Besonders die leichtfüßige Giovanna Elber wirbelte so anmutig in ihren weißen Schuhen herum, daß die Bremerinnen zu Beginn ziemlich ungelenk wirkten. Aber selbst durch ihren schnellen Kombinationstanz konnten sich die Aschenputtel zunächst nicht entscheidend in die Prinzengunst tanzen.

Nach dem Tee, der zur Pause gereicht wurde, verkrampften die Tänzerinnen zusehends. Die Gäste wurden unruhig. Dann gelang der italienischen Prinzessin Maria Basler, die bis dahin weit unter Normalform tanzte, ein Zauberkunststück, und die Stuttgarterinnen fielen zurück. Doch sie kämpften gegen den Verlust königlicher Punkte an. Ein Formationswechsel brachte neuen Schwung, und es blieb der bis dahin sehr blassen Frieda Bobic vorbehalten, mit einer sehenswerten Einlage ihrer rotbeschuhten Füße nachhaltigen Eindruck beim Prinzen zu hinterlassen.

Bis zum Abpfiff gelang kein solches Kunststück mehr, so daß der Königssohn keine drei Punkte vergab. Weder die Prinzessinnen aus der Hansestadt, noch die Aschenputtel vom Neckar konnten sein Herz so richtig erwärmen.

„Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis.“ (Aad de Mos, Bremen, nach dem Ball) Michael Bolten

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