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„Sollen wir Steine auf die Güterzüge werfen?“

■ Potsdamer Platz: Anwohner protestieren gegen Nachtzüge

Auf der Riesenbaustelle am Potsdamer Platz sollen nun auch in der Nacht die Transportzüge mit Schutt in Richtung Süden rollen. Den ohnehin geplagten Anwohnern am Gleisdreieck droht damit eine weitere Lärmkulisse. Weil sich der Sand aus den drei Baugruben von debis/Daimler Benz zu mächtigen Bergen aufgehäuft habe, sei es nötig, daß zwischen 22 Uhr und sechs Uhr morgens die Güterwagen beladen und abgefahren werden, sagte gestern Wilhelm Maier, der Chef des Baulogistikzentrums am Potsdamer Platz (Baulog). Die Baulog organisiert seit 1993 die Materialver- und entsorgung für die Baustellen am Potsdamer Platz.

„Durch drei zusätzliche Gruben ist vorübergehend ein Mehrfaches an Erdaushub entstanden“, so Maier. Das zu entsorgende Material könne nicht einfach beliebig lange gelagert werden, sondern „muß aus der Stadt raus“. Die bisherigen 12 bis 14 Güterzugtransporte täglich mit rund 12.000 Tonnen Sand reichten dafür nicht mehr aus, sagte Maier. In den kommenden Monaten fielen fast 30.000 Tonnen Bauschutt pro Tag an.

Die Transporttermine am Tage müßten darum auf die Nacht gestreckt werden. „Wir sind abhängig von Fahrplan der Deutschen Bahn“, so der Baulog-Boß. Die Güterzüge, die ihre Last in die einstigen Baukohlegruben in der Lausitz entleeren, müßten in das Netz der Bahn eingefädelt werden. Maier: „Da gibt es sogenannte Fenster, die sind nur zu einer bestimmten Zeit offen, und die müssen wir fahren.“

Die nächtlichen Transporte mit rund drei bis vier zusätzlichen Zügen sollen sich zwei bis drei Monate hinziehen. Dann, hofft Maier, sei der Sandberg abgetragen. Maier wirbt um Verständnis bei den Anwohnern: Das „gute Verhältnis soll nicht zerstört werden“. Die Nachtfahrten wolle man so leise wie möglich abwicklen.

Auf einer Baulog-Veranstaltung gestern in der Info-Box protestierten die Anwohner der Flotwell- und Yorckstraße gegen die Nachtfahrten. Schon jetzt dringe Lärm nachts in die Schlafzimmer, widersprach ein Anwohner dem Baulog-Chef. Die Geräusche der Eisenbahn störten in „schlimmer Weise“. Die ältesten „Taiga- Trommeln“ aus DDR-Zeiten würden zum Transport eingesetzt, sagte der Anwohner zum Sprecher der Bahn-AG, Wedell, der vorgab, das leise Triebwagen eingesetzt würden. Die Baulog wolle durch die Nachtfahrten nur Geld sparen, sagte Fritz M.* Doch auf die Anwohner, die „nachts vom Beben wach werden“, würde keine Rücksicht genommen. „Sollen wir Steine werfen, damit wir gehört werden?“ Rolf Lautenschläger

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