■ Standbild: Peng und Zapp!
„Der Killer-Faktor“,
Dienstag, 22.15 Uhr, ZDF
Beim Steppenwolf des Hermann Hesse verhielt es sich so, daß er in seinem Gefühl bald als Mensch, bald als Wolf lebte. Damals war das alles noch gut, weil es Pubertät war. Zum Schluß des Buches stieg unser Steppenwolf dann zu seinem Klassenkameraden Gustav auf einen Hochstand und schoß vorbeifahrende Autos ab. Aber noch immer war es gut, weil alles C.G.Jung und damit tiefenpsychologisch zu deuten war.
Nun aber ist das Amoklaufen Thema einer „Trilogie“ von Gero von Böhm, die einen ganzen „Themenschwerpunkt“ beim ZDF in Sachen „Gewalt- Menschen“ eröffnen soll. Bei der Ankündigung der Reihe soll Kulturmann Hans Helmut Hillrich vom ZDF gesagt haben, daß so ein Amoklauf weder angeboren noch vorgezeichnet sein muß, sondern – einfach so – durch bestimmte Ereignisse ausgelöst werden kann. Das schien uns viel über die inneren Zustände im ZDF zu verraten. Dann hieß es plötzlich auch im ersten Amok-Film von Gero von Böhm, daß der Amoklauf eine Art „Naturkatastrophe“ sei, die „in allen Kulturen“ vorkomme. Noch immer wollte man sich als lustiger Dekonstruktivist behaupten. Wie sollte dem Zuschauer ein erklärt unerklärbares Phänomen erklärt werden?
Aber das Lachen verging einem rasch. Denn Gero von Böhm hat einen Hang zum frühen Expressionismus. Er porträtierte nicht nur einige deutsche und amerikanische Amokgänge mit erstaunlichem Fleiße und grellen Metaphern in Ton und Bild. Mit wackelnder Kamera zeichnete er auch nach, wie so ein Amokgang konkret aussieht. Beispiel USA 1993, Colin Ferguson. Der kaufte sich eine Fahrkarte nach Long Island, um dann in den Zugabteilen wahllos Menschen zu erschießen. Und so mußte der Zuschauer der subjektiven Kamera hinterher durch diesen öden Bahnhof wackeln, um sich auch eine Fahrkarte zu kaufen. Und weiter mußte man durch Zugabteile wanken. Arglos saßen da Amerikaner zusammen und kauten Kaugummi...
So half es nicht viel, daß Gero von Böhm den Psychoanalytiker Lothar Adler davon reden ließ, daß so ein Amokgang nur scheinbar ein plötzliches Ereignis sei. Spätestens auf dem Weg nach Long Island mußte der Zuschauer die Fernbedienung entsichern und selbst den Amokgang tun. Peng und Zapp! Wir wollen die Bilder, wir wollen Blut sehen! Es war phänomenal. Sonst nichts. Marcus Hertneck
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