■ Über die Rolle der Opposition: Vier Jahre Zeit
Es klingt wahrhaftig wie ein Witz, was die SPD den Bündnisgrünen nach ihrem Sonderparteitag angetragen hat. Während man mit der CDU über die künftige Koalition reden wird, soll die Oppositionspartei zum Plausch über eine künftige Parlamentsarbeit herhalten. So, als seien die Bündnisgrünen der verlängerte Arm eines CDU/SPD-Senats. Walter Momper nannte die Absicht seiner Partei vor kurzem zutreffend „Quatsch“, der grüne Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland sprach ein wenig vornehmer von „Alibi- Gesprächen“.
In der Tat macht das Treffen keinen Sinn, wenn es nichts zu verhandeln gibt. Der SPD-Spitze dient es lediglich als Zeichen des guten Willens gegenüber jener innerparteilichen Minderheit, die ihre Hoffnungen mit Rot-Grün verband. Wo das „Weiter so!“ bis 1999 zementiert wird, konzentriert sich zwangsläufig die Aufmerksamkeit auf das Verhältnis der Oppositionsparteien. Zwar in Konkurrenz, haben PDS und Bündnisgrüne doch die einmalige Gelegenheit, den bislang distanzierten Umgang zu normalisieren. Die Wahl von PDS-Bezirksbürgermeistern durch die Bündnisgrünen könnte der Beginn eines Prozesses sein, an dessen Ende in vier Jahren die Möglichkeit für eine rot-grüne Tolerierung stehen könnte.
Wenn es eine Chance geben soll, die völlig erstarrten Strukturen der Berliner Landschaft aufzubrechen, dann wohl einzig über den Umweg der Bezirke. Zumal es selbst innerhalb der Ostberliner CDU keineswegs ausgemachte Sache ist, PDS-Bezirksbürgermeister auf alle Fälle zu verhindern. Die Rolle, die Bündnisgrüne und PDS dabei selbstbewußt übernehmen könnten, wäre nicht nur ein Zeichen an die SPD, daß Veränderungen ohne die Gefahr von Anbiederung oder gegenseitiger Vereinnahmung möglich sind. Getroffen wäre auch die strategische Ausrichtung der CDU, die in diesem Wahlkampf wohl zum letztenmal noch Angst vor PDS-Tolerierungsmodellen schüren konnte. Bei der nächsten Wahl aber ist Berlin möglicherweise schon ein Teil des gemeinsamen Landes, wo die sorgsam gepflegten Berliner Feindschaften propagandistisch wohl ins Leere stoßen werden. Es nützt nichts: Wer in diesen Breitengraden rot-grün denken will, darf sich an der Frage, mit welchen Mehrheiten dies künftig geschehen soll, nicht vorbeimogeln. Dieses eine Mal haben die Bündnisgrünen die Verantwortung für eine klare Aussage zur PDS noch der SPD überlassen. Das nächste Mal werden sie selbst gefordert sein. Zeit dafür haben sie in den nächsten vier Jahren. Severin Weiland
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