: Zwischen Baum und Borke
■ St. Pauli hat nur noch die erste Liga zu fürchten Von Sven-Michael Veit
Betrachten wir es doch mal nüchtern: Der FC St. Pauli sitzt zwischen Baum und Borke. In der 2. Liga reicht es zu einem Spitzenplatz, locker sogar, wie es scheint. Doch das Wort Aufstieg bleibt mehr eine Drohung als eine Hoffnung.
Zweiter Tabellenplatz, nach Pluspunkten zu Spitzenreiter Wolfsburg aufgeschlossen, 15 Spiele ohne Niederlage in Folge, 24:6 Punkte hintereinander, die sechstbeste Abwehr und – kaum zu glauben – der mit 32 Toren zweitbeste Angriff der Liga: Keine Frage, was Uli Maslo aus der Truppe gemacht hat, verdient Bewunderung. Zumal seit einigen Monaten am Millerntor Fußball nicht nur gearbeitet, sondern auch gespielt wird. Doch gegen welche Gegner?
Hansa Rostock, kein Zweifel, ist noch einer der härtesten Brocken, den die 2. Liga zu bieten hat. Den treffsichersten Sturm und eine der sichersten Abwehrreihen nennt der Ex-Erstligist sein eigen. Ein 2:0 gegen die Mannen von der Ostsee will erst einmal geschafft sein. Daß es ein harter Kampf werden würde am Freitag abend, war vorher klar; daß es auch spielerische Höhepunkte geben könnte, durchaus zweifelhaft. Oft genug boten gerade vermeintliche Spitzenspiele Fußball zum Abgewöhnen. Und eine Offenbarung waren die neunzig Minuten im mal wieder ausverkauften Wilhelm-Koch-Stadion auch nicht.
Rund zwanzig Minuten brauchte St. Pauli, um Angstgegner Hansa in den Griff zu bekommen. Bis dahin brannte es bereits zweimal recht heftig vor Thomfordes Tor, über einen frühen Rückstand hätten sich die Kiez-Kicker nicht beschweren dürfen. Doch, wie es so schön heißt, über den Kampf fanden sie zum Spiel und wurden alsbald belohnt. Der immer stärker werdende Schubert flankte in der 29. Minute sowas von butterweich auf den Schädel des vereinsamt auf dem Elfmeter-Punkt herumlungernden Kollegen Sawitschew, daß dieser ohne jede Mühe den Führungstreffer und sein siebtes Saisontor köpfen konnte.
Es folgte eine halbe Stunde vom Feinsten: St. Pauli beherrschte Ball und Gegner, sprühte vor Spielwitz und bot gelegentlich gar Traumfußball, zum Beispiel nach 55 Minuten. Springers genialem Paß in seinem Heim-Debüt folgte erneut eine zentimetergenaue Schubert-Flanke, diesmal auf die linke Fußspitze von Jens Scharping: 2:0.
Daß dies der Endstand sein würde, war da noch nicht vorauszusehen, denn Hansa gab sich keineswegs geschlagen. In den hektischen letzten 30 Minuten wogte das Geschehen hin und her, die spielerische Linie ging etwas verloren, Tore hätten hüben wie drüben fallen können. Daß es bei Pauli nicht klingelte, war nicht zuletzt das Verdienst des fehlerlosen Keepers Klaus Thomforde, der zweimal reaktionsschnell den Rostocker Anschlußtreffer verhinderte in diesem guten Zweitliga-Kick. Weniger war es nicht, aber eben auch nicht mehr.
PS: Ein Feuerwerk veranstalteten nur ein paar Rostocker Fans, die mit Leuchtraketen und Nebeltöpfen das Spiel zweimal an den Rand des Abbruchs brachten. Nach dem Schlußpfiff des sicheren Schiedsrichters Dardenne wurden 75 von ihnen vorübergehend von der Polizei festgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen