: „Wer zu zweit kommt, will was“
■ Domicil-Filiale Bremen richtet die Ferienvilla auf Mallorca komplett ein – Eigener Geschmack Nebensache
Typ eins: Der Mensch, der sich seine Einrichtung im Laufe der Jahre Stück für Stück zusammensammelt. Hier Trödel, auf dem Autodach ins Eigenheim transportiert, dort die abgeschrammte Einbauküche. Nicht zu vergessen eine Lampe, von den Großeltern geerbt, und das top designte Bett, vor Jahren als Sonderangebot erstanden. Ein Sammlertyp.
Typ zwei: Ein Karrieremensch, der gut verdient und aus beruflichen Gründen bedauerlicherweise nicht zum Geldausgeben kommt. Für Geschmack oder die Suche nach Geschmackvollem fehlt ihm/ihr die Zeit. Solch geldverwöhnten und gleichzeitig zeitdarbenden Leuten bietet die Kette Domicil Möbel mit Bremer Filiale am Arster Damm ihre Dienste an.
„Komplettlösung“ heißt das Stichwort. Auf Wunsch richten hauseigenes Inneneinrichter, „Objekt-ManagerInnen“, SchreinerInnen, MalerInnen und RaumausstatterInnen der Firma den Haushalt der KundInnen von Küche bis Korbsessel komplett ein.
Wer hier einkauft, kann vieles haben – mit Ausnahme von Sanitärdingen und Kinderzimmern. Am liebsten ist dem fünfköpfigen Verkaufsteam natürlich Kundschaft, die mal eben mit den Plänen der gerade erworbenen Eigentumswohnung auf Sylt oder des neuen Ferienhauses auf einer Mittelmeerinsel reinschaut und den Rest den FachberaterInnen überläßt. Nach Unterzeichnung eines Verkaufsvertrags beginnt das Team dann zu messen, rechnen, planen, kurz einzurichten.
Fachberaterin Maria Vinkelau, die ihre KundInnen im Osnabrücker und Bremer Domicil-Haus umsorgt, hatte vor zwei Jahren einen solchen Coup gelandet. Ein junges Ehepaar aus Herford, beruflich eingespannt und sehr, sehr erfolgreich, hatte ihr die Ausstattung eines großzügigen Ferienhauses auf Mallorca überlassen.
Die Fachfrau setzte sich ins Flugzeug, inspizierte die „Villa für die Ferien und den gemeinsamen Lebensabend“ vor Ort. Drei Wochen lang schwelgte sie anschließend in Stoff- und Möbelideen für das Haus am Meer. Für alles war sie verantwortlich, vom Innenhof mit Springbrunnen, einem nostalgischen Eisenbett, ebenerdigen Schminktisch bis zum Eßzimmer im „eleganten Landhaus-Stil“, floralen Wandbordüren, pastelligen Kissenbezügen.
Wieviel diese Luxusausstattung in südländischem Stil gekostet hat, verrät die Domicil-Mitarbeiterin nicht. „Wir sprechen über Einrichten, nicht vorrangig über Preise“, kommentiert Kollege Michael Monses betont dezent.
Nur soviel wird preisgegeben: Die KundInnen haben in der Regel wenig Zeit und ein finanzielles Polster. Zwar mische sich hier und da auch mal „ein Maurer mit Gefühl für schöne Dinge“ unter die Kundschaft oder aber ein junges Ehepaar. Die Regel sind jedoch „Zweiteinrichter im besten Alter“.
Das Käuferverhalten sei in diesen Kreisen nach wie vor klassisch, erzählt Domicil-Beraterin Petra Wiegandt. Meist sichtet die Frau das Sortiment, um dann am Samstag oder am langen Donnerstag mit Gatten und gefüllter Brieftasche wiederzukommen. Eine Faustregel im Haus besagt: „Wer zu zweit kommt, will was.“
Kaufkräftige KundInnen, die sich mit der Kompaktidee anfreunden, gibt es offenbar genug. Die Domicil-Kette wächst. Auf bundesweit 29 Einrichtungshäuser hat es das 1978 gegründete Familienunternehmen mit seiner Strategie bereits gebracht. Weitere Häuser sind geplant.
Die Bremer Filiale laufe erfolgreich und sei neben Hamburg der wichtigste Markt in Norddeutschland, so die Pressesprecherin des Unternehmens. Kopfzerbrechen würden lediglich die ewigen Bauarbeiter auf den Zubringerstraßen bereiten.
Neben GroßkundInnen gibt es freilich auch Leute, die nicht auf einen Schlag ein ganzes Anwesen einrichten lassen. Die dürfen natürlich auch kommen, heißt es, und sich in der 1994 eröffneten Bremer Filiale bei wohl dosierter Musik zum Kauf inspirieren lassen.
16 voll eingerichtete Wohnungen von der eleganten Stadtwohnung bis zum rustikalen „Cottage Henry“ sind dort auf 2000 Quadratmetern inszeniert. Statt moderner Designerstücke ist gemütlich Gediegenes mit viel Holz und Tradition zu sehen, abgeguckt von italienischen und südfranzösischen Vorbildern.
Die VerkäuferInnen sprechen von „Erlebnisräumen“ und meinen damit auch das Drumherum der Herzeigewohnungen. BesucherInnen sollen in den Ausstellungshallen durch bühnenartige Versatzstücke wie mediterrane Fassaden, Säulen und Rundbögen in Ferienlaune versetzt werden. Viel Aufwand für eine ausgewählte Klientel. Im Schnitt kämen nur etwa 20 KundInnen pro Tag, erzählen die Bremer MitarbeiterInnen.
Doch bei Einzelwünschen bleibt es in seltensten Fällen. Wer schlicht und einfach ein Sofa kaufen möchte, muß ganz schön viel Willensstärke aufbringen. Schließlich würden erst passende Gardinen, Vorhänge, Teppiche, Beistelltischchen das geschmacklich einwandfreie Ambiente schaffen, so das Verkaufskonzept.
Auch Bronzestatuetten, Kerzenleuchter und goldgerahmte Ölbilder dürfen nicht fehlen. Und schon ist sie wieder da, die Kompaktlösung, die eine Kleinigkeit kostet und so ganz und gar nichts für den individuellen Sammlertyp ist, der seine Wohnung in jahrelanger Arbeit einrichtet.
Eine Tulpenleuchte, handgehämmert in italienischen Werkstätten, macht mehr als 4600 DM, ein gold gefaßter Putto, ausgestellt in einer Wohnung namens „Refugio Garda“, kommt auf knapp 2000 DM. Ein bemalter Sekretär ist für rund 7.000 DM zu haben. Für eine Küche im provenzalischen Stil, massiv Eiche versteht sich, geharzt, geschliffen, farbig gefaßt, kann man schon mal bis zu 200.000 DM hinblättern.
Wer bei solchen Preisen zusammenzuckt, wird durch den Katalog, von Domicil ehrfürchtig „Wohnbuch“ genannt und alle 18 Monate aktualisiert, argumentativ eingelullt. Ehrlichkeit wird in dem Hochglanzkatalog gleich auf der ersten Seite versprochen. „Gefühl und Empfinden stehen an erster Stelle. Alles, was wir tun, kommt aus unserem Innern und ist so gemacht, daß wir immer ja dazu sagen können“, gibt dort die Firmenzentrale in Süddeutschland zum besten. „Leidenschaft gehört zu unseren Urtrieben.“
Falls der Sammlertyp dann immer noch grübelt, wird er in dem Wohnbuch mit der hauseigenen Lebensphilosophie, eine Art „Zurück zur Natur“-Gefühlsduselei, konfrontiert. Der Bildtext zu einem Foto mit reifen Ähren besagt beispielsweise: „Bevor unser Brot auf dem Tisch steht, wächst das Korn. Und wenn ich die Augen aufmache, entdecke ich die Vielfalt der Natur.“ Unter dem Stichwort „Lebensart“ wird zum Umdenken animiert: „Die Sonne weist uns Weg und Zeit, und unsere Vorfahren lebten danach. Haben wird das vergessen?“ Soweit, so lukrativ.
Sabine Komm
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