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Eilzug zur Moderne

■ „Aus der Seelentiefe“: Ein Mammutprojekt zur Musik der Jahrhundertwende/ Heute Auftakt mit Brahms und Reger

Ein wenig zaudernd sieht man Max Reger, mit dickem Mantel, Stock und Hut zur Reise gerüstet, auf einem alten Foto abgebildet. Soll er sich für's linke Gleis entscheiden, für den „D-Zug Richtung 19. Jahrhundert“? Oder doch für's rechte – den „Eilzug Richtung 20. Jahrhundert“? Die Fotocollage bringt Regers zweigleisige musikalische Vorlieben auf den Punkt. Aufbauen auf der Tradition, auf Brahms und Bach, aber auch Aufbrechen in die Moderne, zu neuen Tönen: Mit diesem Zwiespalt stand Reger natürlich nicht allein in der musikalischen Landschaft der Jahrhundertwende. Vielen anderen KomponistInnen, KünstlerInnen, LiteratInnen erging es ebenso. Diese Kultur des Umbruchs in ihren vielen, teils einander widerstreitenden Facetten wieder spürbar zu machen: Diese Mammutaufgabe hat sich eine neue Bremer Veranstaltungsreihe gestellt. Das Projekt „Aus der Seelentiefe – Musik der Jahrhundertwende“ beginnt heute abend mit Musik von Brahms – und natürlich von Max Reger.

Das weite musikalische Feld findet seine Entsprechung in einem überbordenden Programm. Rund 90 Konzerte, Lesungen, Vorträge und Ausstellungen sind geplant; die ganze Reihe zieht sich bis in den Juni 1996 hinein. Initiator Kurt Seibert von der Bremer Musikhochschule verteidigt diese Fülle: „Das ist Musik, die Sie in dieser Konzentration nie wieder hören werden.“ Außerdem müsse ja „nicht jeder alles hören“. Die Freunde Schönbergscher Klangkunst werden sich in den entsprechenden Konzerten in St. Ansgarii einfinden; wer in den Anfängen der Psychoanalyse schürfen will, kann dies beim Symposium im „Haus am Park“ tun.

Mangel an einer strafferen Konzeption sieht Seibert nicht. Es gebe eben keine einheitliche Ästhetik, kein verbindliches Programm in dieser Periode. So werden die sehr unterschiedlichen Ideen von Bartok, Reger, Hindemith, Schönberg und vielen anderen in aller Ausführlichkeit dargestellt.

Und zwar, das ist Seibert wichtig, gemeinsam von Studierenden und Professoren der Hochschule wie auch von gestandenen MusikerInnen z.B. der Kammerphilharmonie. „Dies ist kein Musikfest“, sagt Seibert, sondern der Versuch, interdisziplinär und mit bremischer Kompetenz ein großes Thema aufzuarbeiten. tw

Konzert am Samstag um 18 Uhr in St. Ansgarii mit Werken von Brahms, Reger und Hindemith

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