: Truppenbewegungen in Ostslawonien
■ Serben überfallen UNO-Posten, Kroaten lassen Gardebrigaden aufmarschieren / Erfolg in Dayton: Bosniakisch-kroatische Föderation soll endlich funktionieren, Währungs- und Zollunion sind geplant
Berlin (AFP/dpa/taz) – Eine serbische Sprengstoffdrohung an die Adresse der UN-Friedenstruppen sowie Truppenbewegungen entlang beider Seiten der Front haben im Osten Kroatiens für neue Spannungen gesorgt. UN-Chefsprecher Chris Gunness bestätigte am Freitag in Zagreb, daß belgische Friedenshüter am Vortag mindestens einen Kontrollpunkt an den Frontlinien in Ostslawonien verlassen haben, nachdem aufständische Serben mit der Sprengung des Stützpunkts gedroht hatten.
Die Räumung dieser UN-Unterstände sowie das Einrücken serbischer Freischärler in diese Lager bewirkten nach UN-Erkenntnissen stärkere Truppenbewegungen auf kroatischer Seite. So soll zum Beispiel auch ein Teil der Eliteeinheit Tiger-Brigade, rund 350 Mann, nach Ostslawonien verlegt worden sein. Dies wiederum habe eine Truppenverlegung auf serbischer Seite ausgelöst, erklärte ein UN-Offizier. Damit soll wohl „nur etwas mehr Druck“ auf die Teilnehmer der Friedensgespräche in den USA ausgeübt werden.
Knapp zehn Tage nach Beginn der Bosnien-Konferenz der Präsidenten Bosniens, Kroatiens und Serbiens in den USA stand am Freitag mit der Unterzeichnung eines Abkommens der erste sichtbare Erfolg bevor. Bosniens Staatschef Alija Izetbegović und sein kroatischer Amtskollege Franjo Tudjman wollten gestern ein Abkommen unterzeichnen, mit dem die moslemisch-kroatische Föderation Bosnien-Herzegowina gefestigt werden soll. Die Föderation der Moslems und bosnischen Kroaten war im Frühling 1994 unter Druck Washingtons vereinbart worden und beendete offiziell den über ein Jahr dauernden, blutigen Krieg der ehemals und inzwischen wieder verbündeten Parteien. Der Ausbau der Föderation ist in der Zwischenzeit über die Besetzung der Führungsstellen und einzelner Absichtserklärungen nicht hinausgekommen. Als Haupthindernis dafür wurde von bosniakischer Seite bisher stets das parallele Fortbestehen der selbsternannten „Kroatischen Republik Herzeg-Bosna“ angeprangert.
In dem erweiterten Abkommen vom Freitag soll das Funktionieren der Föderation sowie der Status der zwischen Bosniaken und Kroaten geteilten Herzegowina-Metropole Mostar geregelt werden. Demnach sollen die Zivilbehörden auf bosnisch-kroatischem Gebiet aufgelöst und deren Funktionen der Föderation überantwortet werden. Die bisher getrennten militärischen Strukturen der Regierungsarmee und des sogenannten Kroatischen Verteidigungsrates HVO sollen durch eine national gemischte, übergeordnete Kommando-Ebene gestärkt werden. Zudem sieht das neue Abkommen die Schaffung einer Zollunion und einer einheitlichen Währung für das Gebiet der Föderation vor, während kroatischen und bosniakischen Flüchtlingen und Vertriebenen die Rückkehr in die jeweils von Kroaten oder Bosniaken kontrollierten Landesteile ermöglicht werden soll. Örtliche Behörden haben dies bisher unter Mißachtung der Föderationsverträge aus dem Vorjahr stets verhindert. Erst am Dienstag sind 300 Bosniaken, die in ihre Heimatstadt Jajce zurückkehren wollten, von kroatisch- bosnischen Soldaten zurückgewiesen worden – 30 von ihnen wurden sogar verhaftet.
Der Weltsicherheitsrat diskutierte einen Resolutionsentwurf, der die Greueltaten beim Vorstoß kroatischer Truppen in der Krajina ebenso wie serbische Massaker an den bosnischen Muslimen in der ehemaligen UN-Schutzzone Srebrenica verurteilt und dazu aufruft, die Beweismittel für Kriegsverbrecherprozesse zu sichern. An die Regierung in Zagreb ergeht die Forderung, den aus Kroatien geflohenen Serben so bald wie möglich die Rückkehr zu ermöglichen, die Rückkehr der Bewohner Srebrenicas ist nicht gefordert. Kroatien protestierte gegen die Gleichsetzung des Massenmords von Srebrenica und der Rückeroberung der Krajina.
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