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Gnom von der Festplatte

■ In Fernsehshows werden wir künftig virtuelle Gäste und Moderatoren erleben - in Echtzeit per Computer animiert. Ein praktisches Mittel gegen überhöhte Gagen?

„Der Hugo ist immer so schnell beleidigt“, ruft die Moderatorin Min-Kai dem Zwerg hinterher, der gerade abgeht. „Schöne Grüße an Hugo“, verabschiedet sich eine Anruferin, ein anderer warnt: „Paß auf, daß du da nicht runterfällst.“ Doch die Figur, mit der beide sprechen, existiert nur auf der Festplatte eines Onyxrechners. Der Titelheld der „Hugo Show“, einer Videospielshow, ist die erste komplett computergenerierte Kreatur im deutschen Fernsehen.

Computeranimationen gibt es zwar schon länger in Fernsehshows und Unterhaltungsprogrammen, aber Hugo wird live und in Echtzeit animiert und kann darum wie eine computererzeugte Puppe selbst in der Show auftreten und zum Beispiel Interviews führen oder mit den Studiogästen spielen. Zusammen mit wechselnden Moderatorinnen ist Hugo an jedem Wochentag bei Kabel 1 zu sehen – live aus einem „virtuellen Studio“: Statt in einer realen Kulisse wird Hugo genauso wie die Moderatorin aus Fleisch und Blut durch den Blue-Box-Effekt in Computerkulissen kopiert, die sich blitzschnell aus einen Herbstwald in einen Flipper und anschließend vielleicht in eine Wiese verwandeln.

Der virtuelle Abgeordnete

Nicht nur bei Kabel 1 arbeitet man an Fernsehfiguren von der Festplatte: Die Kölner Produktionsfirma „Tag/Traum“ entwickelte in Zusammenarbeit mit der Kölner Kunsthochschule für Medien für den WDR einen „virtuellen MdB“. Die kahle Karikatur, die in Aufnahmen aus dem real existierenden Bundestag eingefügt wird und dort dummes Zeug erzählt, hatte bereits im Frühjahr einen Kurzauftritt in der Wirtschaftssendung „Markt“. Inzwischen hat man die Programmierung verbessert, und in den nächsten Wochen soll der digitale Abgeordnete wieder auf Sendung gehen.

Anders als Hugo wird der Abgeordnete aus dem Computer ähnlich einem traditionellen Trickfilm animiert, besonders groteske Gesichtsausdrücke und Gesten werden später mit dem Datenhandschuh eingefügt. Für einen Anderthalbminutenclip kommt man so leicht auf fünf Stunden Arbeit.

Hugo wird von der Münchner Softwarefirma „Vierte Art“ produziert, die schon den synthetischen Computermoderator Eddie Highscore für die kurzlebige ZDF- Jugendsendung „X-Base“ entwickelt hatte. Eddie konnte sich live in die Sendung einschalten, weil hinter den Kulissen ein menschlicher Schauspieler sein Gesicht für ihn hinhielt. Der Mime trug eine Maske, in der kleine Sensoren die Bewegungen der Gesichtsmuskeln des menschlichen Mienenspiels ablasen. Aus den Bewegungsdaten errechnete der Computer Eddies elektronische Visage. Der nahm als dritter Moderator an der Show teil und konnte außerdem einige Tricks, die seine menschlichen Kollegen nicht beherrschten: die Gesichtsfarbe wechseln oder sich rasend schnell um sich selbst drehen.

Bei Hugo ist das Eddie-Highscore-Prinzip perfektioniert worden: Eddie war nur ein Gesicht an der Studiowand, Hugo ist eine Ganzkörperpuppe. Damit sich die synthetische Puppe durch ihr virtuelles Studio bewegen kann, muß ein Puppenspieler sie animieren. Der steckt in einem „Data-Suit“, einer Art Surfanzug voller Sensoren, die die Bewegungen des Puppenspielers abtasten und sie über Datenleitungen in den Computer übertragen. Dieser wiederum bestimmt die Bewegungen von Hugo, der so wie eine virtuelle Marionette geführt werden kann. So kann Hugo direkt im Studio auftauchen und mit Moderatoren und Publikum interagieren. Olaf Schirm von Vierte Art, der Hugo mitentwickelt hat, gibt auch gleich die Marketingparole aus: „Ich will, daß Hugo in Talkshows eingeladen wird.“

Die digitale Technologie könnte natürlich noch ganz anders eingesetzt werden, witzelt der Hugo-Erfinder Schirm: So könnte man sich zum Beispiel überhöhte Gagen sparen, wenn man erst mal die Daten von Thomas Gottschalk im Rechner hat; theoretisch ließe sich der Starmoderator mit der Hugo-Technologie auch per Computer simulieren. Daß die neue Technologie zur Manipulation benutzt wird, glauben die Produzenten der digitalen Homunculi nicht. „Manipulation war bei Bildern schon immer möglich“, argumentiert Detlef Bollmann von Tag/ Traum, „die Gefahr gibt es immer. Es liegt in der Verantwortlichkeit der Macher und Redakteure, diese Technik nicht zu mißbrauchen.“

Jobkiller oder nicht?

Billig ist die Hugo-Technologie nicht: Errechnet wird die virtuelle Puppe auf einem der Onyxcomputer „Reality Engine 2“ von Silicon Graphics, auf dessen Festplatte zwei Gigabyte Platz haben. Die Technologie wurde für die US- amerikanische Luftwaffe entwickelt, die mit simulierten Flügen ihre Piloten schult. Trotzdem dürfte sich die Anschaffung der teuren Maschinen langfristig rechnen: Wer Sendungen im virtuellen Studio veranstaltet, kann sich kostspielige Dekorationen sparen.

„Irgendwann ist das finanziell günstiger“, sagt Detlef Bollmann von Tag/Traum. Bei Mitarbeitern von Sendern würde er darum immer wieder Widerstand und Angst vor einer Rationalisierung spüren. Dabei ist die virtuelle Animation seiner Ansicht nach kein Jobkiller: „Virtuelle Puppen können weder Moderatoren noch Schauspieler ersetzen. Die jetzige Situation erinnert ein bißchen an den Konflikt zwischen Landschaftsmalerei und Fotografie im 19. Jahrhundert. Ich glaube, daß wie damals beide Medien irgendwann ihre genuinen Aufgaben finden werden.“ Tilman Baumgärtel

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